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Clik here to view.An der premierenverstaubten Wiener Staatsoper haben Regisseure alle paar Jahre dieselbe Idee: 1900! Jugendstil! Freud! Sezession! Und so spielt man immer noch die Klimt-Kringelbunte „Salome“ à la August Everding aus den Seventies. Nicholas Joel packte die Daphne für ihr Griechen-Trauma auf die Psychiater-Couch im Art-deco-Ambiente. Und Claus Guth ließ seinen dritten „Tannhäuser“-Akt in der Klinik auf dem Steinhof spielen. In dessen Otto-Wagner (!) Kirche verlegte jetzt Alvis Hermanis eine weitere Wagner-Oper, den neuen „Parsifal“. In seinem Gralstempel ist der Kelch ein Riesenhirn unter güldener Blütenkrone. Doch die äußerst kontrovers aufgenommene Neuinszenierung beschränkte sich wohl weitgehend auf die eher statischen Namenswitzeleien.
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Seltsam unwidersprochen blieb hingegen eine weit provokativere Äußerung die der lettische Regisseur vorab im „Standard“ abgegeben hatte. Man weiß ja inzwischen um dessen seltsamer Einstellung zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Doch jetzt sagte er, der zu Hause „beruflich nie unter Restriktionen zu leiden“ hatte: „Wir Letten sind eine kleine, aber stolze Nation. Manchmal sage ich etwas Kontroversielles, aber es ist für einen Letten sehr natürlich, eine klare Meinung zu haben. (…) Wenn ich heute eine Wiener Zeitung lese, dann sehe ich, dass meine Sicht von damals heute Regierungspolitik ist. Die Zeitungen von Deutschland erinnern mich hingegen immer noch an die der Sowjetunion: Wenn jemand eine abweichende Meinung hat, dann wird er zum Feind. Für die Deutschen scheinen im Moment ja fast alle zum Feind zu werden: Großbritannien nach dem Brexit, die USA mit Trump, Polen, die Türkei, Russland …“
Nur komischerweise wird Hermanis in Deutschland als angeblicher „Feind“ nicht gleich entlassen oder verhaftet, wie es eben gerade in Polen, der Türkei oder Russland passiert. Also soll er sein krudes Zeugs reden. Oper inszeniert der kurzzeitige Hoffnungsträger zwar nur noch in Wien und im noch konservativeren Mailand, denn in Bayreuth hat man sich noch vor der „Lohengrin“-Vertragsunterzeichnung einvernehmlich wieder getrennt. Aber seine nächste Schauspielpremiere ist bereits für den Mai am Münchner Residenztheater disponiert. Zumindest um Musik und Wagner kreiselt es da auch: „Insgeheim Lohengrin“, so der Titel. Dazu heißt es in der Vorankündigung: „Ein kleiner Zirkel aktiver Lohengrinliebhaber trifft sich regelmäßig in einer konspirativen Wohnung. Insgeheim, weil die Hingabe an das romantische Pathos in München 2017 generell als verdächtig gilt. Der Nachbar darf von der verzückten Einbildungskraft nichts wissen.“ Die nächste Hermanis-Verschwörungstheorie also. Deutschland wird auch das aushalten.
Der Beitrag Alvis Hermanis: In Deutschland hält man ihn auch als angeblichen „Feind“ aus erschien zuerst auf Brugs Klassiker.