Der Bund, sprich: Monika Grütters macht ihr Füllhorn auf und beglückt pekuniär das der Bonnerin so nahestehende Berlin. Die stets klamme Hauptstadt kann’s gebrauchen. Doch nur für was gibt es jetzt im gerade abschließend verhandelten neuen Hauptstadtkulturvertrag eigentlich die Bundesknete? Zum Vergleich: Berlin zahlt 508 Millionen Euro für seine Kultur, der Bund fast 604 Millionen zusätzlich. Zu den unstrittigen Leuchttürmen wie Deutsches Historisches Museum, Haus der Kulturen, Festspiele, Humboldt-Forum, Preußen-Stiftung, Jüdisches Museum usw. kommen jetzt aber immer mehr Gelder, die eine direkte Einmischung in genuin Berliner Institutionen bedeuten, wo auch in die lokale Entscheidungshoheit eingegriffen wird. 7 Millionen mehr bekommen beispielsweise die Berliner Philharmoniker. Grütters sitzt im Stiftungsvorstand und hätte das Eliteorchester gern ganz unter ihren Fittichen. Begründet wird die Geldspritze für den sowieso schon üppig ausgestatteten, zusätzlich durch Sponsorenmillionen gefütterten Klangkörper – mal wieder – durch die die Musiker angeblich anlockenden Orchester im Süden, sprich die Münchner Philharmoniker und die BR-Symphoniker. Bei denen dann genau mit dem gleichen Argument hinsichtlich der gut dotierten Berliner Kollegen neuerlich die Gehälter (die meisten verdienen sowieso doppelt mit Nebentätigkeiten und Unterrichten) erhört werden. Und alle sind zufrieden.
10 Millionen mehr gibt es für die Opernstiftung. Für was? Schlecht ausgestattet ist man nicht, und während die Komische Oper immerhin einen sehr speziellen, die Tugenden des Hauses schärfenden Spielplan fährt, kann man weder an der sowieso mit dem bleibenden Kanzlerinnenbonus von 1,8 Millionen für Barenboims Staatskapelle weiter operierenden Staatsoper noch an der deutschen Oper Aktivitäten erkennen, die solches rechtfertigen würden. Die Staatsoper dümpelt mit ihren Spielplan aus Übernahmen von Flimm & Friends („Manon“ aus St. Peterburg, Guths „FroSch“ aus Mailand, bald „La Damnation den Faust“ aus London mit dem zu Hause schlafen könnenden Simon Rattle am Pult und Andrea Breths Stuttgarter „Lenz“) ziellos vor sich hin, mal abwarten ob sich das unter dem neuen Intendant Matthias Schulz ändern wird. Und das Staatsballett? International gegenwärtig nicht mehr existenziell, künstlerisch am Boden, nicht zuletzt wegen politischer Fehlentscheidungen.
Die Deutsche Oper macht solides Programm, aber international aufregend ist das nicht. In Punkto Ausstrahlung können beide in keiner Weise etwa mit der glamourösen Bayerischen Staatsoper konkurrieren. Opernstiftungschef Georg Vierthaler (der auch nach wie vor als Ballettverwaltungsdirektor doppeltamtiert) will das frische Geld freilich nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen. Mal sehen, was sich die drei Häuser für Verwendungszwecke ausdenken werden. Doch eines ist klar: in diesem Land wird sich die Schere zwischen den angeblichen Eliten und den Bedürfnisbefriedigern in der Provinz weiter verschieben. Dort stehen Häuser wie das Theater Hagen oder die Dauerbaustelle Rostock am Abgrund, in Berlin aber wird geprasst.
Und deshalb wohl regt sich auch keiner so wirklich über die dauernde Fehlplanung hinsichtlich der Staatsopernrenovierung mehr auf. Am 3. Oktober soll es dort eine wie immer geartete Musiktheaterpremiere geben, dann wird wieder bis Dezember geschlossen, um sich einzurichten. So der gegenwärtige Stand. Und dafür wurde dann schon man vorsorglich zwei Wochen Urlaub mitten in der laufenden Spielzeit genommen. Als ob irgendwo auf der Welt, und schon gar nicht an einem Repertoirehaus, der Umzug von einem Gebäude ins nächste bei sofort hochgefahrenem Spielbetrieb hätte beginnen können. Solche Planungen kommen selbst einem Laien dilettantisch vor. Einnahmeausfälle – offenbar egal, also genügend Zeit für Daniel Barenboim mal wieder mit seinem Opernorchester zu gastieren. Richtig ruchbar wurde der Fall sowieso erst, als die BR-Symphoniker verkündeten, dass ihr Berliner Gastspiel gestrichen sei. Hat einer mal gefragt, was – nur ein paar Tage nach dem Musikfest – dieses nicht eben billige Sinfonieorchester eigentlich in der Staatsoper verloren hat? Um Inhalte scheint es kaum mehr zu gehen, nur um Namen und Egos.
So auch in der jüngsten Staatsballett-Verlautbarung. Während die Duarto-Nachfolger Sasha Waltz und Johannes Öhman wohl dieser Tage endlich mal mit den sie mehrheitlich ablehenden Tänzer sprechen wollen, setzt die ratlose Duto-Administration mangels Starnamen vor allem auf Polina Semionova. Die gerade Mutter Gewordene, deren internationalen Karriere wohl nicht so ganz in Schwung gekommen ist wie sie wohl dachte, beglückt nun erst mal wieder Berlin mit Auftritten, gut bezahlt als Gast natürlich. Dafür wird sie postwendend zur Kammertänzerin ernannt – ein Schlag ins Gesicht für so verdiente Stars wie Beatrice Knop oder Nadja Saidakova, deen man im Ausgleich für die Weiterbeschäftigung hinter den Kulissen diese Ehre versagte. Ein Galaprogramm „Polina & Friends“ wurde zudem ausgelegt und das Ballett hat nix besseres zu tun, als auch noch offiziell einer eigenen Produktlinie der ehemals Fahnenflüchtigen zu bewerben: „das POLINA Performance Lifestyle Shirt, das in limitierter Auflage ab 26. April 2017 u.a. im Opernshop der Staatsoper im Schiller Theater erhältlich ist“. Darauf doch nochmal ein paar Moni-Millionen!
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