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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Robin Ticciati startet beim DSO: Feel the Berlin Vibes

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Gibt es gegenwärtig einen attraktiveren Ort für einen aufstrebenden Dirigenten als Berlin? Wohl kaum. Man kann Simon Rattle in seinem 16. und letzten Jahr als Philharmonikerchef und dem Übergang zu Kirill Petrenko erleben. Man kann Daniel Barenboim in all seiner (Selbst-)Herrlichkeit bei der Staatskapelle studieren. Man erfährt Kapellmeistersolidität bei Donald Runnicles am Pult der Deutschen Oper und kann Iván Fischer beim Konzerthausorchester bei seinen Überraschungskonzerten beobachten. Dort suchen sie einen Nachfolger, wie auch an der Komischen Oper (wo er inoffiziell schon gefunden sein soll). Und außerdem kann man sich mit Vladimir Jurowski beim sozusagen benachbarten Rundfunk-Sinfonieorchester mit einem aus England wohlbekannten Kollegen messen, der auch dort im Herbst als Chefdirigent anfängt.

Auftritt Robin Ticciati. Im September 2017 startet der 34-jährige Brite sein Amt als achter Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Mit Neugierde und Offenheit will er seine erste Saison in seiner neuen Heimatstadt gestalten, in die er letzten Dezember gezogen ist und in deren Konzertsälen er seither öfter als Hörer anzutreffen war. Mit seinem neuen Ensemble will Ticciati ein breites musikalisches Spektrum erforschen und neue Blickwinkel eröffnen – durch ungewöhnliche Programmekonstellationen, mit Werken zeitgenössischer Komponisten, durch die Entdeckung neuer Konzertorte und -formen.

Robin ist die Message. Zumindest im ersten Jahr, wenn man die neue DSO-Broschüre betrachtet, wo einem der nicht unattraktive Lockenkopf entgegenschmollt. Das ist legitim, ein Orchester muss ein Gesicht haben, und in den letzten Jahren hatte man viele, weil optisch auf die einzelnen Mitglieder gesetzt worden war. Nun ist Strategiewechsel angesagt. Der Chef als Kopf und Erkennungsmarke. Mit vier Projekten in kurzer Folge wird Ticciatis Amtsantritt im September bereits zur facettenreichen Einladung. Und als Prolog, drei Tage vor dem ersten Konzert, führt Robin Ticciati einen „Symphonic Mob“ in der Mall of Berlin an. Sein offizielles Antrittskonzert eröffnet er mit einem barocken Werk über das Beginnen selbst – Rebels „Les éléments“. Er stellt ihm Thomas Larchers 2. Sinfonie gegenüber und schließt mit der Schöpfungsidee aus Nietzsches Perspektive, die Richard Strauss in „Also sprach Zarathustra“ aufplusterte.

Später erkundet Ticciati im Kraftwerk Berlin ganz anderes Terrain. In Kooperation mit dem Festival „Berlin Atonal“ wird der monumentale Industriebau zum Ort der Begegnung, an dem Bach, Berio, Debussy, Ives und Ligeti auf elektronische Neukompositionen treffen und die Klangwelten final in einem neuen Werk von Moritz von Oswald verschmelzen. Zeitgleich zum Amtsantritt erscheint im September bereits bei seinem Stammlabel Label Linn Records eine erste gemeinsame CD, mit Werken von Debussy und Fauré und unter Mitwirkung von Rattle-Gattin Magdalena Kozená. Wer bei den Aufnahmen im Januar in der Jesus-Christus-Kirche dabei war, konnte die vollendete Harmonie des Impressionismus wie des gemeinsamen Zusammenspiels erleben.

In Ticciatis Programmen soll auch künftig Gegenwartsmusik von großer Bedeutung sein.. Er rückt sie entweder ins Zentrum seiner Programme – wie Jörg Widmanns Violinkonzert und Helen Grimes „Virga“ –, oder er wählt sie als Zugang zur Musik aus der Geschichte: Toshio Hosokawas „Meditation“ stellt er Gustav Mahlers 3. Sinfonie voran, Magnus Lindbergs „Chorale“ lässt er Alban Bergs frühe Orchesterlieder und Anton Bruckners Sechste folgen, Roy Harris‘ 3. Sinfonie bereitet den Blick auf Schönbergs Klavierkonzert und Sibelius‘ Siebte vor. Mit der Erfahrung im Hintergrund, dass ein musikalisches Werk in veränderter Umgebung immer wieder neu wahrgenommen wird, befragt er Mozarts letzte Sinfonie nach Bach-Anregungen und Schumanns Violinkonzert nach barocken Gesten. Mit Duruflé, Wagner und Messiaen erkundet er das Verhältnis von Klang, Raum und Zeit. Der räumliche Aspekt kommt insbesondere auch bei der szenischen Einrichtung von Berlioz’ Oratorium „L’enfance du Christ“ in der weitläufigen Architektur der Philharmonie zum Tragen. Ticciati und Regisseurin Fiona Shaw kommt hierbei ihre Opernerfahrung beim Glyndebourne Festival zugute.

Wie gut der Kontakt zu seinen ehemaligen Künstlerischen Leitern ist, beweist das DSO ungewöhnlicherweise bereits im ersten Saisonfinale des Neuen als Gala der Chefs: Kent Nagano, Tugan Sokhiev und Ingo Metzmacher geben sich die Stäbe in die Hand. Desweiteren sind beim DSO Christoph Eschenbach, Roger Norrington, David Zinman, Leonard Slatkin, Andrew Manze, Manfred Honeck und Edward Gardner zu erleben. Constantinos Carydis Cristian Macelaru kehren zurück, Mirga Grazinyté-Tyla, Alain Altinoglu, Raphael Pichon sowie Rafael Payare sind erstmals hier, Ben Gernon und Antonio Méndez debütieren im Deutschlandradio. Zur Jahreswende sind bei den beliebten Silvester- und Neujahrskonzerten mit dem Circus Roncalli im Tempodrom John Wilson und Kim Criswell mit Hollywood-Sounds dabei.

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin kann für das Konzertjahr 2016 erneut auf die so wichtigen guten Zahlen verweisen: eine Auslastung von 86 Prozent und Karteneinnahmen in Höhe von 1,9 Millionen Euro bei insgesamt 63 Berliner Eigenveranstaltungen. In der Spielzeit 2017/18 gibt das DSO insgesamt 65 Konzerte: 60 in Berlin, fünf Gastspiele führen in die großen Konzertsäle Deutschlands.

Die neue Spielzeit komplett unter www.dso-berlin.de

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