Es war diesmal leider nicht alles Gold, was beim 5. Pariser Festival der Stiftung Palazzetto Bru Zane glänzte. Am wenigsten das „Silberglöckchen“, der erst nach einer schweren Geburt 1877 auf eine Pariser Bühne gewürgte Opernerstling von Camille Saint-Saëns. Er ist einer der beiden herausgestellten Komponisten der so mit gleich drei, fast 100 Jahre stilistischer Vielfalt umspannenden Musiktheaterwerken zu Ende gehenden Palazzo-Saison. Und der Flop – als Stück wie in der szenischen Realisation an der frisch sanierten Opéra -Comique – mag nicht so sehr ins Gewicht fallen, weil das Festival immer größer und abwechslungsreicher wird. Jenes „Timbre d’Argent“ aber mag künftig höchstens die Philologen interessieren, weil hier die gleichzeitig komponierten „Hoffmanns Erzählungen“ Jacques Offenbachs in ihrer in einer Künstlerseele tobenden Mischung aus Fantastik und Alptraum vorweggenommen werden – allerdings mit deutlich bescheideneren musikalischen wie melodischen Mitteln, faden Figuren und einer klapprigen Dramaturgie. Was durch die billige, unsinnig im Heute angesiedelte und trotzdem mit viel zu vielen Klischees spielende Inszenierung nicht besser wurde. Mittelmäßig auch die Sängerbesetzung aus der der hölzerne Tenor Edgaras Montvidas negativ hervorstach. Wenigstens tröstete im Graben klanglich François-Xavier Roth mit seinem hellwachen Ensemble Les Siècles.
Weit besser bedient war der Raritäten-Neugierige tags zuvor im Théâtre des Bouffes du Nord, obwohl hier nur eine orchestral reduzierte, um etwa eine halbe Stunde und die wohl nicht tollen Chöre gekürzte, szenisch stilisiert andeutende Tournee-Version von Jean-Baptiste Lemoynes „Phèdre“ gezeigt wurde. Die erwuchs selbst mit lediglich zehn Musikern auf einem mit neun Löchern versehenen Podest und einem hervorragenden, mit dekorativen Goldapplikationen verzierten Sängerquartett als vehement dramatischem Vokalkleeblatt zur Singtragödie von Format. „Die beste Oper, die Gluck nicht komponiert hat“, so lautete allgemein die Meinung über den 1786 im Schloss Fontainebleau herausgekommenen frühklassizistischen Dreiakter.
Und vorher wurde noch gefeiert: Madame Nicole Bru wurde als Geldgeberin und stellvertretend für ihre tolle Mannschaft um Alexandre Dratwicki für die editorisch wie haptisch qualitätsvolle CD-Arbeit der Stiftung Palazzetto Bru Zane von meiner Wenigkeit (in Vertretung von 156 Kritikern in 32 Jurys) mit einem von nur drei Jahrespreisen 2017 des Preises der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Allein dafür hatte sich das 5. Festival à Paris also schon gelohnt! Mehr darüber in der übernächsten Ausgabe von Oper! – Das Magazin.
Der Beitrag Opernlicht und -schatten beim 5. Pariser Festival des Palazzetto Bru Zane erschien zuerst auf Brugs Klassiker.