Eigentlich warten wir jeden Tag auf die Nachricht: Rolando Villazón sagt auch noch die Titelrolle in Mozarts „La Clemenza di Tito“ ab, die am 6. und 9. Juni in Baden-Baden über die Bühne gehen soll – konzertant, als Teil eines Opernzyklus, den vor allem die Deutsche Grammophon mitschneidet. Zwei CD-Teile fehlen dann noch, „Zauberflöte“ und „Idomeneo“. Für nächstes Jahr hat der massiv und dauerhaft stimmlich angeschlagene Tenor, der in letzter Zeit kaum etwas live auf einer Opernbühne gesungen hat (zuletzt sagte er den Nemorino, seine fast einzige Opernrolle, in Wien und London ab, ebenfalls den Ottavio an der Met, wo er auch aus der 50-Jahre-Gala spurlos verschwand) sich auf den Bariton Papageno verlegt, deshalb musste der schon dafür verpflichtete Matthias Goerne auf den Bass Sarastro umsteigen. Und bei „Idomeneo“ gibt es ja von der schwierigsten Arie zum Glück drei Varianten, auch eine ganz leichte, weil der Uraufführungssänger schon sehr alt war. Villazón schreibt stattdessen Bücher (das zweite Buch erregte aber kaum noch Aufmerksamkeit) oder inszeniert (zuletzt „Don Pasquale“ in Düsseldorf, auch ohne überregionale Presse). Für seine letzten Pariser Live-Auftritte als Monteverdis Ulisse (auch ein hohe Baritonpartie, technisch nicht schwer) erhielt er verheerende Kritiken, man verglich seine Stimme mit der von Florence Foster Jenkins oder schrieb, sie liege ähnlich in Trümmern wie das antike Troja. An seine einzigen Opernauftritte in der nächsten Saison, Faust (!) und Lenski in Wien, glaubt man auch nicht wirklich… Und angeblich soll er für seine jüngste Platte, Bass-Tenor-Duette mit Ildar Abdrazakov, mit dem er auch auf Tournee gehen möchte, Stückchen für Stückchen im Studio gesungen und zusammengeklebt haben, bevor der Russe auf das fertige Band singen konnte. Trotzdem hält ihm Cecilia Bartoli die Solidaritätsstange und lässt ihn auch dieses Jahr wieder bei der Übernahme ihrer Pfingst-„Ariodante“ zu den Salzburger Festspielen die zweite Tenorrolle übernehmen. Schließlich muss in Zürich ja auch noch ihr Mann Oliver Widmer beschäftig werden.
Besonders die Festspiele brauchen die Stars, die aber werden immer weniger und immer launischer. Aus Salzburg hört man Dauerklagen, dass sich kaum einer der wirklich Großen, die die 430-Euro-Spitzenpreise rechtfertigen, noch für eine szenische Oper den ganzen Sommer lang verpflichten will. Die machen lieber Urlaub mit den Kindern (Garanca, Terfel, Kaufmann) oder verbinden das mit einer lukrativen Solotournee nach Asien, Südamerika oder Australien. Also muss man froh sein, wenn man Anna Netrebkos neue Aida bekommt und den ungeliebten, weil mittelmäßigen Ehemann Yusif Eyvazon höchstens für zwei Verdi-Vorstellungen am Ende der Serie (die sie nicht singt). Dafür musste die Pariser knirschend in Kauf nehmen, dass die Anna lieber bei der Einweihung von Valery Gergievs Privattheater in einem Petersburger Vorort in Anwesenheit von Putin sang, statt die letzte Vorstellung ihrer „Eugen Onegin“-Serie zu absolvieren.
Jonas Kaufmann, für den es nächsten Mittwoch bei seinem „Otello“-Debüt in London um einiges geht, hat sich mit der Metropolitan Opera überworfen, die bisher sein amerikanischer Leuchtturm war. Dort mag er höchstens nur noch Repertoire singen, dafür sucht er sich in der Stadt anderweitig um, etwa bei der von Pierre Audi geleiteten Park Avenue Armory, wo man mit spektakulären Kollaborationsprojekten in der ehemaligen Aufmarschierhalle des Militärs PR-mäßig gut und schnell punkten kann. Deshalb findet die Met-Silvesterpremiere der „Tosca“ ohne ihn statt. Der ist jetzt freilich auch noch die Titeldiva in Gestalt von Kristine Opolais abhanden gekommen. „Aus persönlichen Gründen“, aber eher wohl, weil der Eindruck von ihr mit „Visi d’Arte“ bei der 50-Jahres-Gala und vorher in der kompletten Partie in Baden-Baden kein sehr günstiger war. Mal sehen, ob die stimmlich matt gewordene Gattin von Andris Nelsons (der weiterhin in New York dirigieren soll), im nächsten Frühsommer in London als Elsa in einem neuen „Lohengrin“ antritt.
In New York springt mal wieder (sicherlich letztmals) Sonya Yoncheva ein, die so (und oftmals mit Vertragsbruch anderswo) schon ihrer Karriere den entscheidenden Schwung gegeben hat, um inzwischen hinter den Kulissen sehr primadonnen-like zu agieren; viele Besetzungschefs können bereits ein Lied davon singen. Sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie mit ihrem dirigierenden Ehemann Domingo Hindoyan im Doppelpack auftaucht, so wie gegenwärtig neben dem Netrebko/Eyvazov-Duo (er freilich selten allein ohne sie an einem Opernhaus, aber – wenn er nicht noch Muffensausen vor den Loggionisti bekommt – bei der Scala-Inaugurazione als Andrea Chenier, Pereira macht es möglich) das Garanca/Chichon-Tandem und das Diana Damrau/Nicholas Testé-Stoß-mich-Zieh-dich. Ganz zu schweigen von der sehr berühmten, eigentlich klugen Mezzosopranistin, die gegenwärtig ihren Möchtergern-Choreografen/Liebhaber überall durchzudrücken versucht, bis hin zum (vergeblich geforderten) Solovorhang…
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