Liederabende sind selten im Kalender der Elīna Garanča, meist bevorzugt sie die (weit lukrativeren) Arienrezitals. Doch bei den Salzburger Festspielen war es jetzt einmal wieder so weit. Und seltsam: Während der lettische Mezzo bei den Opernausschnitten oft kühl und wie hinter einer Maske bleibt, liegt ihr die kleine, intime Form viel besser. Obwohl sie auch hier Distanz bewahrt, sich bis auf den gern gewährten Kleiderwechsel von enganliegend Schwarz/Elfenbein auf wallend dunkelrote Seide mit schwarzen Rosen ganz auf die Musik konzentriert. Drei vier Gesten, oft ein ausgestelltes in sich Hineinhören, kurzer Augenkontakt zum unauffällig, aber sehr fein spielenden Pianisten Malcom Martineau. Mehr ist da nicht. Aber die Lieder sprechen – durch sie. Durch diese ungemein ebenmäßige, leicht sich aufschwingende das Haus für Mozart perfekt füllende Stimme. Auch wenn „Liebestreu“ von Johannes Brahms mit seiner voll tönenden Leidenschaftlichkeit nicht unbedingt das richtige Auftaktstück scheinen mag – die Garanča singt es auch fast etwas zu schnell und verhalten weg –, das hat Methode. Denn mit dem ähnlich anmutenden „Von ewiger Liebe“ schließt sie – zwölf Brahms-Lieder liegen dazwischen – den ersten Teil ab. Und auch hier gestaltet sie ganz aus den makellos artikulierten Worten, sie muss die Musik nicht mit falscher, druckvoller Emotion aufladen, scheint eher über diesen uns so fernen, weil verbal genau artikulierten romantischen Überschwall nachzusinnen.
Der Brahms von Elīna Garanča ist unbedingt einer der Geschichten erzählen, Stimmungen evozieren will. Der nuancenreich wandlungsfähig ist. Und der sich so süß und nachhaltig in die Gehörgänge einträufelt. Der aber auch den dynamischen Ausbruch kennt, wenn er gebraucht wird. Lyrisch nachhorchend geht sie dann die drei wagnerisch sich ausbreitenden Lieder von Henri Duparc an, „Au Pay où se fait la guerre“,„Exstase“ als schnellen Schub, die breit ausgesponnene, opak schillernde „Phidylé“: französische Seifenblasen von kostbarer Vergänglichkeit. Auch die klingenden Kurzmomente von acht Rachmaninow-Liedern weiß sie immer neu zu differenzieren. Seltsam, dass sich die Deutschen Grammophon immer noch nicht zu einer Liedplatte für ihren Star durchringen konnte. Drei Zugaben von Brahms, ein lettisches Lied – und „Morgen“ von Richard Strauss: voll dunkel lockender Hingabe.
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