Die Salzburger Festspiele haben ihr Programm für den Sommer 2016 vorgestellt. Das ist erwartbar überraschungslos, schließlich muss noch eine Interimsspielzeit unter der künstlerischen Verlegenheitsdoppelspitze Sven-Eric Bechtolf und Helga Rabl-Stadler durchgestanden werden. Dann kommt ab 2017 Markus Hinterhäuser, und dann wird alles besser, obwohl gerüchteweise auch schon wieder Riccardo Muti und Peter Stein gehandelt werden…
So bleibt die Salzach-Mischung bewährt: risikolos, von Alexander Pereiras Resterampe durchsetzt, die Stars bedienend, damit die Kasse stimmt. Franz Welser-Möst hat, nachdem ihm die Wiener Staatsoper verlustig gegangen ist, nun Salzburg als Machtposten gewählt. Für ihn darf’s die notorisch erfolglose „Liebe der Danae“ aus dem öden Strauss-Spätwerk sein; hätte man noch zwei Jahre gewartet, wäre sie zumindest tantiemenfrei gewesen. Die Oper wurde zwar zuletzt 2002 gegeben; Strauss-Werke wie „Intermezzo“ oder „Friedenstag“ waren hingegen noch nie in Salzburg zu sehen, sind aber eben auch komplizierter. Und weil der „Rosenkavalier“ mit Krassimira Stoyanova so schön war, singt die Bulgarin jetzt – etwas überreif – auch die Danae. Alvis Hermanis wird sicher schön altmodisch inszenieren.
Ob das der als Neuenfels-Ausstatter bekannt gewordene Reinhard von der Thannen vermag, ist nach seinem letzten, als schriller Bilderbogen eher nur Oberflächenreize ansprechenden Regieversuch mit „Hänsel und Gretel“ an der Komischen Oper Berlin noch nicht entschieden, trotzdem bekommt er jetzt (mit dem Choreografen Giorgio Madia) das Große Festspielhaus für Gounods „Faust“. Die einzige Begründung dafür: der auch nicht mehr ganz frische Tenor Piotr Beczala, der sich mehr auf das französische Fach verlegt. Spannend könnte hingegen die zur Festspiel-Eröffnung angesetzte, noch von Pereira bestelle Uraufführung „Der Würgeengel“ nach dem berühmten Buñuel-Film werden, die Thomas Adès komponiert und selbst dirigiert. Tom Cairns schreibt das Libretto und inszeniert, 21 Rollen waren durchaus prominent zu besetzen.
Der eitle wie visionslose Bechtolf lässt hingegen nicht nur noch einmal sein wenig geliebte Mozart/da-Ponte-Trilogie komplett abrollen, er spielt auch selbst noch die Hautrolle im einst hier einen kleinen Skandal gemacht habenden „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ von Thomas Bernhard, den der Altroutinier Gerd Heinz inszeniert. Alles natürlich ohne Zusatz-Gage, wie Bechtolf immer betont, sei es drum, einmal noch hat er hier eine Plattform. Ob ihn nach Salzburg noch wer will? Dazu gibt es im zusammengeschnurrten Schauspielangebot als Nicht-Novitäten noch Shakespeares „Sturm“ (war 2012 zuletzt zu sehen), den Deborah Warner auf der Pernerinsel entfacht und Becketts Greisenstück „Endspiel“, dessen Vertonung der bald 90-jährige György Kurtág weiter schuldig bleibt, das freilich das Kreativduo Dieter Dorn (80) und Jürgen Rose (78), beide auch mal Akteure, fast selbst spielen könnte…
Ein wirklich interessante, sicher auf den Wunsch von Juan-Diego Flóréz zurückgehende Wahl ist hingegen die italienische Oper „Il Templario“, die Otto Nicolai nach Walter Scotts „Ivenhoe“ komponierte. Die gibt es, mit Joyce DiDonato an Flórez’ Seite, natürlich nur konzertant, wie auch zwei Werke, die offenbar ganz darauf ausgerichtete sind, die Eitelkeiten und die Kassenträchtigkeit ihrer Stars zu bedienen. Plácido Domingo, dann offiziell 75 (man mag vier bis fünf Jahre dazurechnen) will sich als junger (!) Mönch Athanaël in die Tempeltänzerin Thaïs verlieben, so hat es Jules Massenet in seiner nach ihr benannten Oper vertont. Warum aber lässt Salzburg ihn nach der blamablen Luna-Absage 2015 so noch einmal ins offene Messer laufen? Hat ein verdienter Star das nötig? Und kann eine vernunftvolle Leitung ihn nicht vor sich selbst schützen?
Anna Netrebko, auch für die Einnahmen unverzichtbar, wiederholt 2016 lediglich ohne Szene ihre Puccini-Manon, freilich mit ihrem Tenor-Ehemann Yusif Eyvazov (Ende Dezember soll ja im Wiener Schloss Belvedere geheiratet werden). Und der ist nun, anders als der Vorgänger Erwin Schrott, wirklich zweitklassig. Aber bereits an der Met als zweite Cálaf-Wahl und an der Berliner Staatsoper für ein „Troubadour“-Revival durchgedrückt worden. Ein aggressives Management, verkauft das Duo, wenn es kann, nur noch im Paket. Und selbst in Salzburg kann es das offenbar.
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