Da werden doch wirklich gerade wieder zwei CD-„Ringe“ simultan geschmiedet! Sie starten beide ganz brav mit dem „Rheingold“ und schicken auch noch zwei genuin lyrische Baritone ins Wotan-Rennen. Man wähnt sich fast wie in der Hochzeit der Industrie, als Ende der Achtziger von der EMI fast gleichzeitig der Sawallisch-„Ring“ an der Bayerischen Staatsoper mitgeschnitten und ebenfalls in München die Tetralogie im Studie mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Bernard Haitink produziert wurde. Dann folgten noch die James-Levine- und Daniel-Barenboim-Versionen aus New York bzw. Bayreuth, und nach einem halben „Ring“ unter Christoph Dohnanyi mit dem Cleveland Orchestra gingen schon Mitte der Neunziger erstmals die Studiolichter aus. Es folgten noch DVD-Versionen und vereinzelte Livemitschnitte aus Australien, Wien und Bayreuth. Und natürlich spuken die Archive kontinuierlich historische Aufnahmen von mehr oder weniger Bedeutung und technischer Meisterschaft aus.
Ist jetzt also eine neue Gründerzeit für den ewig populären Wagner? Sicher nicht. Naxos schließt so noch eine Repertoirelücke im eigenen Katalog, und – erneut – das BR-Symphonieorchester will es nach einem beifällig auf genommenen „Ring“-Auftakt in Münchner Konzerten wohl noch einmal auf dem eigenen Label komplett wissen, so die Planung. Simon Rattle wird das in letzterem Fall sicher gelegen kommen, möchte er doch nach wie vor seine Kompetenz in der Oper wie im spätromantischen Repertoire auch global beweisen. „Das Rheingold“ hat er schon isoliert mit dem Orchestra oft he Age of Enlightenment probiert, mit gemischtem Resultat dann das komplette Quartett mit den Berliner Philharmoniker in Aix und Salzburg herausgebracht sowie sich als „Ring“-Repertoiredirigent an der Deutschen Oper Berlin und in Wien bewährt.
Und nun also nochmal im Konzertsaal samt Mitschnitt, der Fortsetzungen finden soll. Das Kleinteilige, Schnelle, Fluoreszierende, Flexible, der Parlando-Witz der liegt Simon Rattle, ebenso die wechselnden Grundstimmungen zwischen Rheinboden, freier Gegend auf Bergeshöhen, Nibelheim und Walhall. So geht also die rasche „Rheingold“-Rechnung mit einem bestens disponierten Orchester in satten Farben und kammermusikalischer Feinheit auf. Hier fehlen die großen Bögen, das Pathos, die Tiefe, hier wird koloriert, erzählt, kommentiert. Ein bunter, unterhaltsamer Klangbilderreigen. Leicht und transparent, ja pianoverliebt.
Die Sänger folgen gutaufgelegt. Ganz besonders Michael Volle, der nach einem „Walküren“-Wotan in Sevilla hier kurz vor dem Komplettdurchlauf mit Rattle in Wien, erstmals den „Rheingold“-Göttervater mit liedhafter Deutlichkeit und schön geformten Ausbrüchen singt. Tomasz Konieczny ist hingen weniger wortverständlich, der komödiantisch-beißende Burkhard Ulrich (Loge), Annette Dasch (Freia), Peter Rose (Fasolt) und Eric Halfvarson (Fafner) kommen sehr gut über Lautsprecher rüber. Janina Baechle als Erda klingt zu wenig altgewichtig, Elisabeth Kulman ist eine junge, präsente, Wotan wirklich wortgefährlich werdende Fricka.
Der zweite „Ring“-Start ereignete – ebenfalls konzertant – erstmals mit einer internationalen Besetzung in Asien. Denn am Pult des souverän und gelassen, mit nachdrücklicher Schwere und trotzdem steten Fluss aufspielenden Hongkong Philharmonic Orchestra steht dessen Chefdirigent, der Holländer Jaap van Zweden, und vor den Sängermikrophonen die üblichen, europäisch-amerikanisch-russischen, sogar südkoreanischen Verdächtigen. Nicht ganz. Auch hier ein wirkliches Wotan-Debüt zu vermelden: Matthias Goerne will es wissen, aber ob seine genuin lyrische Stimme die Durchschlagskraft und die Ausdauer für die beiden Folgeopern hat? Dieser Wotan, zaudern, pompös, tyrannenhaft, aber vor seinem Weibe kuschend, auch schon konfus und die Schicksalsfäden aus der Hand gleiten lassend er wird bei ihm auch auf der Hörbühne zu einer plastisch gestalteten Figur, die sofort zu einem spricht, die nicht salbadert, sich hinter keiner Würde versteckt. Und die mit erstaunlich dunklen, düsteren Tönen aufwartet.
Dazu passt van Zwedens eher pathetisch bedächtiger, trotzdem genuin lyrischer Zugriff, der sich in Honkong mit dem eben 40 Jahre alten Klangkörper über weitere drei Jahre in bewusster Herausforderung entfalten soll, als guter Kontrast. Hier große Oper, dynamisch noch etwas unausgewogen, da Durchdringung durch das Wort, aber trotzdem schön gesungen. Der Rest der Besetzung ist – außer Kim Begleys perfide-gleißnerischem Loge leider nicht auf diesem Niveau: Peter Sidhoms Alberich ist allzu übertrieben böse, Michelle DeYoung klingt als Fricka früh gealtert. Kwangchul Youn und Stephen Milling sind routinierte Riesen, David Cangelosi bleibt ein nicht nur kneifiger Mime. In der „Walküre“ werden jedenfalls Goerne und DeYoung zurückkehren, Stuart Skelton wird als Siegmund das Schwert und Petra Lang als Brünnhilde den Speer schwingen. Wie das wohl wird?
Wagner: Das Rheingold (BR-Klassik, Naxos)
Der Beitrag CD: “Das Rheingold” – gleich zweimal neu erschien zuerst auf Brugs Klassiker.