Es muss nicht immer die Umdeutung sein. Manchmal ist Erzählen, wie es im Libretto geschrieben steht, schon ein revolutionärer Akt. Christof Loy hat das in Amsterdam gewagt. Ausgerechnet mit einer der unmöglichsten Opern, Giuseppe Verdis „Macht des Schicksals“. Einziger Zusatz: Loy beginnt schon in der von Michele Mariotti subtil gestalteten Ouvertüre mit seiner Geschichte. In einem Salon sitzen drei Kinder am Tisch, ein Mädchen und zwei Jungen. Eine Marienstatue dazwischen. Das sind Leonora, Alvarez und Carlos. Und hier schon ist religiöser Wahn, Schwäche, Trotz und Sturheit zu erleben. Loy und Ausstatter Christian Schmidt zeigen eine heillose Welt als geschlossenes System.
Mit altmeisterlich ausgeleuchteten Räumen voll barock gegliederter Menschengruppen. Bilder überlagern sich, frieren theatralisch ein. Zwischen den Schlachten führt Prezosilla, die kleinstimmige Veronica Simeoni, mit einer Kerletruppe als Bauchtänzern Revuefronttheater auf. Tote erheben sich, lassen Lebende nicht in Ruhe. Die Kirche schiebt sich in den Raum, und natürlich sind wir am Ende an den Anfang im Salon zurückgekehrt. Michele Mariotti dirigiert akzentsicher und effektbewusst. Als Leonora berührt Eva-Maria Westbroeck darstellerisch, aber ihr Vibrato wackelt, die Höhe klingt dünn. Nur solide auch die beiden Männer im ewigen Emotionsdreieck à la Verdi, Roberto Aronica (Alvaro) und Franco Vassallo (Don Carlo). Vokales Zentrum ist der weich strömende Vitalij Kowaljow (Padre Guardiano), Alessandro Corbellis Fra Melitone keift als komisches Gegenstück. Ein vor allem szenisch und orchestaler starker Verdi-Abend. Bald mehr in Oper! Das Magazin.
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