Das Berliner Musikfest 2017 ist bereits wieder Geschichte. An 19 Festivaltagen mit insgesamt 34 Veranstaltungen kamen rund 44.000 Besucher. Und auch der letzte Abend mit dem Orchester der Deutschen Oper unter Donald Runnicles wurde noch zu einem Höhepunkt. Obwohl ich eigentlich nicht sooo viel erwartet hatte. Das Programm mit drei Ausschnitten aus Berlioz’ dramatischer Sinfonie Roméo et Juliette, das man vertanzt von Sasha Waltz sowieso im Programm hat und der dritte Akt „Walküre“ als Trostpflaster für die nun bis 2020 auf einen neuen „Ring“ warten müssenden Wagnerianer von der Bismarckstraße, das sah doch sehr nach Repertoirerecycling zum Saisonauftakt aus. War es dann aber gar nicht. Die Shakespeare-Schnipsel dirigierte Runnicles mit Delikatesse, romantischer Wärme, ja Glut. Wendig und vital zeigte sich das Orchester in Mercutios „Queen Mab“-Scherzo von seiner wieselflinken Seite. Um dann mit seiner grandiosen Wagner-Kompetenz souverän und gelassen zu prunken. Das war flüssig erzählt, trotz Beschallung von Podium ließ es nie die Sänger untergehen.
Donald Runnicles setzte wirkungsvolle Höhepunkte, ließ auch leise, sehr intime Stellen zu. Was ihm sein Protagonistenpaar leicht machte. Bryn Terfel gewährte Berlin so wenigstens konzertant ein Wotan-Highligth. Die Stimme ist zwar etwas trockener geworden, es fehlt mehr und mehr die einst honigfarbene Süße dieses durchaus auch bellen könnenden Bassbaritons. Doch er ist ein wunderbar feinsinniger, nuancenreicher Gestalter als auftrumpfender und doch trauriger Gott, liebender und trotzdem strenger Vater. Fast könnte man meinen, hier würde auch noch das nicht unwichtige Inzest-Thema dieses Stückes ausgespielt und angedeutet. Und Allison Oakes, die sonst – warum nur? – die großen Rollen nur an kleinen und mittleren Häusern singt, war ihm eine Wunschmaid auf Augenhöhe, trotzig, wissend, mitfühlend, warm und durchdringend; dabei immer textverständlich. In Anzug und Abendkleid wurde das eine anrührende Auseinandersetzung zwischen Patriarch und Tochter, aber eben auch zwischen zwei unterschwellig erotisch Liebenden, man vermisste keine Regie, keine Szene. Die Modernität von Wagners Psychologie wurde fast schmerzhaft spürbar. Vielleicht auch, weil die Brünnhilde im wahren Leben ursprünglich Röntgendiagnostik gelernt hat? Ein fasziniertes Publikum lauschte, so wie es vorher schon beim wildwabernden Ritt der neun frischstimmigen Walküren mitgegangen war und anzuerkennen wusste, was für ein Fest-Luxus ihm mit den fünf Minuten von Anja Harteros’ dunkelglühender Sieglinde geboten wurde. Wahrlich, ein „hehrstes Wunder!“.
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