Quantcast
Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 826

Burgenländisches Haydn-Gerangel: Zwei Festivals sind das Ergebnis

$
0
0

Es könnte so schön sein. Da spielt die Haydn Philharmonie im Haydnsaal des Haydnschlosses Esterházy in der – immerhin – Haydnmetropole Eisenstadt Haydnsinfonien und ringsum im Burgenland tuckert der mit großen Komponistenlogos bedruckte Haydnexpress und hält nur zum Haydnpicknick mit Haydnbegleitung. Außerdem ertönen in den diversen Haydnkirchen Haydnmessen wie Oratorien; sogar das heute ungarische Haydnsommerschloss Fertöd wird mit Haydnklängen aus Österreich belebt. Der Urvater der Wiener Klassik, der hier über 40 Jahre wirkte, nicht nur geschätzt, sondern auch geliebt und aufgeführt. Und das im Rahmen von gleich zwei, freilich gegeneinander agierenden Festivals: „Herbstgold“ versus „HaydnLandTage“.

Auf der einen Seite: Intendant Walter Reicher, der seine pionierhaften, vom Land allerdings kaum unterstützten Haydn-Festspiele seit 1988 leitet – „die einzigen und echten“, wie er gerne betont. Sein Festival musste nun erstmals ohne die bewährte Hauptspielstätte auskommen, den mit bunten Fresken verzierten, 600 Zuhörer fassenden, akustisch vorzüglichen Festsaal im Eisenstädter Schloss, der noch gar nicht so lange nach Joseph Haydn benannt ist. 2016 wurde ihm der schon mehrmals verlängerte Mietvertrag gekündigt, weil die Eigentümer des Schlosses, die Esterházy-Stiftungen Eigenbedarf für ein eigenes Festival anmeldeten. Er aber wollte nicht resignieren, sondern jetzt erst Recht weitermachen. So präsentierte Reicher seine Festspiele heuer runderneuert – und nannte sie HaydnLandTage: 15 Schauplätze in elf Tagen, von der Alten Universität Wien über den Liszt-Saal in Raiding bis zur Mole West am Neusiedler See mit „Haydn on the Beach“. Reichers Stammpublikum ist ihm gefolgt; er spricht von 96 Prozent Auslastung.

Im geliebten Haydnsaal des Esterházy-Schlosses dagegen wurde das sprichwörtliche Herbstgold zum Leuchten gebracht – in einem neuen Musikfestival mit und um Joseph Haydn, aber auch mit Balkan- und Roma-Klängen, Jazz, Kinderprogramm und Kulinarik, die man im hier allgegenwärtigen Pannonisch-Sprech „Pan O’Gusto“ getauft hat. Der deutsche Kulturmanager Andreas Richter hat das variantenreiche Programm organisiert, verantwortet wird es von der Esterházy-Kulturverwaltung. Deren Chef heißt Stefan Ottrubay, von seiner Tante Melinda, der 2014 verstorbenen letzten Fürstin Esterházy, eingesetzter Verwalter des schon seit Ende 2000 in Stiftungen überführten Vermögens der einst reichsten Österreicherin.

Ottrubay wird nicht nur im Burgenland als Reizfigur betrachtet, weil er gern mit dem Kopf durch die Wand geht, nicht gerade als Diplomat bekannt ist. Seit er vor bald 17 Jahren als Vorstand der Stiftungen und Generaldirektor der Betriebe antrat, den Namen Esterházy wieder aufzupolieren und Kultur im unterentwickelten Bundesland als weichen Standortfaktor auszubauen, kracht es in den einstigen fürstlichen Refugien. Nicht jeder mochte die neue Geschwindigkeit und deren Entwicklungen mittragen: Spätestens als das Land Burgenland als Pächter nach Auslaufen seines Vertrags aus dem Eisenstädter Schloss hinauskomplimentiert wurde, ist die Stimmung zwischen dem Schweizer Banker Ottrubay und der SPÖ-Landesregierung stark getrübt.

Zwar hat auch diese ihre ganz eigenen Kulturschlachtfelder (man betrachte die Querelen um die auslastungsmäßig schwächelnden Operettenfestspiele in Mörbisch, wo die Intendantin Dagmar Schellenberger schnell wieder abserviert wurde, um durch den Kabarettisten Gerald Pichowetz ersetzt zu werden, der sein Amt nicht einmal antrat), aber sekundiert von dem beim Erbgang ausgebooteten gräflichen Seitenzweig der Esterházy-Familie, angeführt von Paul-Anton Esterházy, macht man einander im Burgenland nicht nur das Wirtschafts-, sondern auch das Kulturleben schwer. Auf dem Nebenschauplatz, dem Römersteinbruch St. Margarethen, dessen Opernfestspiele die Esterházy-Betriebe 2016 erstmals allein verantworteten, nachdem der langjährige und erfolgreiche Betreiber Wolfgang Werner in die Insolvenz geschlittert war (und dahinter Ottrubay vermutete, weil die Banken ihm keine Kredite mehr gewährten), wurde nach dem diesjährigen „Rigoletto“ der Spielbetrieb eingestellt. „Vorerst“, sagt Stefan Ottrubay, der dafür auch die Ignoranz und die nie gewährten Subventionen der Landesregierung verantwortlich macht: „Wir wollen 2019 neu anfangen, denn nach der Wahl im Oktober wird hoffentlich auch das Burgenland politisch anders und besser, nämlich konservativ aufgestellt sein.“

In St. Margarethen geht es natürlich um mehr Besucher und Einnahmen, doch Prestigeprojekt und Aushängeschild sind die bisher im Eisenstädter Schloss beheimaten Haydn-Festspiele, deren Titel Walter Reicher natürlich mitgenommen hat. Von „Rauswurf“ sprechen er und die Landesregierung, von vertraglicher „Hinhaltetaktik über sechs Jahre“ und „beständigen Versuchen der inhaltlichen Einflussnahme auf ihr neues Programm“ dagegen die Esterházy-Stiftungen: „Wir würden ja gern mit Reicher zusammenarbeiten, aber Landeshauptmann Hans Niessl lässt ihn nicht, weil er ja von ihm mitfinanziert wird.“ Man kann Walter Reicher und sein kleines, aber weltweit renommiertes Festival durchaus als Kollateralopfer in der Schlacht der eitlen Großen um wichtigere Dinge bezeichnen.

Im Haydnsaal spielt also weiterhin die unter seinem neuen Chef, dem dirigierenden Cellisten Nicolas Altstaedt (er leitet auch das vom Land bezuschusste Kammermusikfestival in Lockenhaus), erfolgreich verjüngte Haydn-Philharmonie als permanentes Projektorchester, das auch international tourt. Walter Reicher aber hat deren ehemaligen Gründer und Chef Adam Fischer als Dirigier-Ass im Ärmel. „Und der bleibt meiner“, so Reicher triumphierend. Stefan Ottrubay erwidert, man habe schon Projekte auch mit Fischer in Aussicht. Im Burgenland hat eben jeder seine eigene Haydn-Wahrheit, denn die Kultur ist hier länger schon vermintes Gelände.

Als Chef der Esterházy-Betriebe hat Ottrubay die Burg Forchtenstein als Touristikziel flott gemacht und inhaltlich auf höchstem Niveau ausgestattet; auch Schloss Esterházy sieht stilvoller aus als früher. Das Weingut, die ehemals fürstliche Fortwirtschaft, die Ferienwohnungen, alles läuft blendend. Doch nicht immer passierten die Optimierungen mit Feingefühl, und so erheben sich um das doppelte Herbstfestival wieder einmal schrille Töne von Reicher und der alten Haydnfest-Klientel – stellvertretend für die größeren Konflikte um die Esterházy-Betriebe als frühere Herren des Burgenlandes und immer noch großherrliches Auftreten auch in der Neuzeit.

Reicher hat aus der Not eine Tugend gemacht und sein etwas in die Jahre gekommenes Festival mit Notfallplänen neu aufgestellt, verjüngt und erfolgreich platziert. Dabei konnte er mit dem Cellisten Mischa Maisky, dem Geiger Renaud Capuçon, dem Chorleiter Paul McCreesh und dem Tenor Piotr Beczała bedeutende Künstler aufbieten, die nicht nur Haydn im Programm hatten. Doch auch Programmchef Andreas Richter und die Esterházys haben ihre Hausaufgaben in kürzester Zeit erledigt. Bei ihnen ließen sich Meisterflötist Emmanuel Pahud, Staroboist François Leleux, der brillante Klarinettist Andreas Ottensamer und das Streichermarathon auch das Quatuor Ébène hören.

Mag das erste „Herbstgold“-Festival zwischen Premiumklassik, zaghafter Zeitgenossenschaft und begeistert aufgenommenem Roma-Crossover auch so manchen Blindgänger enthalten und die respektable Auslastung noch zu steigern sein – die Pläne für 2018 entwickeln sich und wurden schon feinjustiert. Und eine Haydn-Sinfonie mit der wohltönenden Haydn-Philharmonie klingt im Haydnsaal eben so schön wie sonst nirgends sonst auf der Welt. Das weiß natürlich auch Walter Reicher. Und er gibt zu, dass man sich im Burgenland doch immer schon bei einem Glas Wein am Verhandlungstisch irgendwie geeinigt habe; er jedenfalls wäre bereit, auf die Esterházy-Stiftungen zuzugehen. „Wenn sie mich für zwei, drei Konzerte ins Schloss ließen, würde mir das ja schon reichen“, lockt der alte Festivalfuchs nun. Und selbst Stefan Ottrubay schließt eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr aus, aber erst muss, daran hält er fest, die Landesregierung weg. Wird bald wieder Festivalfrieden im Haydnland herrschen? Der Musik immerhin hat auch der Konflikt bereits genützt.

 

Der Beitrag Burgenländisches Haydn-Gerangel: Zwei Festivals sind das Ergebnis erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 826