Natürlich hat er schon mit 60 darüber nachgedacht, wann es wohl Zeit sei, aufzuhören. Aber irgendwie kam nie der richtige Zeitpunkt. Die Stimme ist noch da (das beweist ihm jeder der von akribisch mitgeschnittenen Vorstellungen), Häuser wollen ihn weltweit noch und er hat nach wie vor Spaß auf der Bühne. Und so kommt es, dass Franz Grundheber, der heute 80 Jahre alt wird, nach wie vor im Unruhestand lebt – vor ein paar Monaten hat er noch in Leipzig Barak gesungen, immer schon eine seiner Lieblingsrollen. Und vor ein paar Jahren war er ein sehr überzeugender Scarpia, ganz zu schweigen, von seinem eindrücklichen Jupiter in einer anderen Strauss-Oper, der schwergängigen „Liebe der Danae“. Den hat er auch erst nach seinem 60. Lebensjahr als Debüt gesungen (Kunststück – bei dem äußerst selten gespielten Werk), das freilich erstmals ungestrichen mit allen den gemein hohen Noten die der tenörehassende Strauss sonst seinen Stimmnachbarn zugedacht hat. Erst in Kiel, dann bei den Salzburger Festspielen. Stipendien. Zwei Jahre lang studierte Grundheber in Amerika an der Indiana University in Bloomington, dann noch eines in Santa Barbara. Aber mehr als die Hälfte der 4000 Vorstellungen des gebürtigen Trierers Franz Grundheber fanden an der Hamburgischen Staatsoper statt. Das Haus, an das ihn 1966 Rolf Liebermann engagierte, wo er Kammersänger und Ehrenmitglied ist, hat es ihm diese Treue in letzten Jahren freilich nicht wirklich gedankt. Somit dürfte der Bassbariton aber einer der wenigen Sänger sein, der wirklich noch Jahrzehnte in einem Ensemble gesungen und trotzdem ein ordentliche, wenn eben auch sehr ausgewählte Weltkarriere gemacht hat.
Und deswegen dürfte auch seine körnige, doch leichtgängige, warme Stimme immer noch so intakt sein. 150 Rollen hat er gesungen (das wären sogar noch mehr als Plácido Domingo!), vom 2. „Fidelio“-Gefangen bis zum Figaro, Simon Boccanegra, dem fliegenden Holländer, Mandryka, Orest, Jochanaan, Wozzeck, Amfortas, Rigoletto, Macbeth, Amonasro, Iago. Heute singt er noch gern den Peter Besenbinder in „Hänsel und Gretel“, den Herrn von Faninal oder den Haushofmeister in der „Ariadne auf Naxos“. Und dann ist Franz Grundheber auch zu einem eindrücklichen „Lulu“-Schigolch gereift. So ist er ein wirklich sprechendes wie klingendes Beispiel für das was heute den meisten Sängern fehlt: Warten können – auf die großen Rollen.
Der Beitrag Aus dem Ensemble in die Opernwelt – und zurück: Franz Grundheber zum 80. Geburtstag erschien zuerst auf Brugs Klassiker.