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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Ba-ta-Clan: Wenn Operette blutig wird

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Bataclan„Ba-ta-Clan“. Drei spitzbübisch frivol klingenden Silben, wie sie nur die französische Sprache kennt, und die jetzt so blutig unterlegt sind. Dabei war der so ulkig lautmalerisch lautende Name des Pariser Vergnügungsetablissements am ebenfalls nach einem der Leuchttürme der Aufklärung (auf Französisch: siècle des lumières) benannten Boulevard Voltaire vor allem eine Hommage an eine deutschen Komponisten, der die Franzosen ganz besonders zum Lachen brachte: Jacques Offenbach.

bataDer jüdische Kölner, später zum „Mozart der Champs-Élysées” nobilitiert, schrieb 1855 auf ein Libretto von Ludovic Halévy (dem zum Christentum konvertierten Neffen von Jacques Fromental Halévy, dem Komponisten der „Jüdin“) eben jene vorwitzige chinoserie musicale nach der 10 Jahre später noch das neue, selbstverständlich ganz im Stil der herrschenden Exotismus-Mode chinesisch mit Pagodendächern, Drachenreliefs und Fächervorhang ausgestattete Theater benannt wurde. So erfolgreich war diese nur einstündige Operette für vier Personen, denn mehr durften auf Offenbachs eigener Bühne, den noch heute existierenden Bouffes Parisiennes, nicht erscheinen. Ganz Europa lachte über sie.

„Ba-ta-Clan“, so heißt ein in der Operette gesungener Marsch, parodiert so böse wie treffsicher den Militarismus wie auch die Günstlingswirtschaft am Hof des dritten Kaiserreichs. Dafür wurde die Handlung in ein zeitgenössisch asiatisches Mini-Imperium verlegt. Dort regiert ein Kaiser, der eigentlich Franzose ist, was keiner wissen darf. Deshalb spricht er ein Fantasiechinesisch. Was aber niemand merkt, denn sein Mandarin und seine Prinzessin sind ebenfalls verkleidete Franzosen. So lautet schon das Eröffnungsquartett: „Cloc Cloc, mock mock“. Selbst die drei entdeckten ihre Identitäten erst, als einer ein französisches Liedchen pfeift. Anschließend flieht man gemeinsam und überlässt die Regierung dem dämlichen, aber echt einheimischen Kommandeur Ko-ko-ri-ko – was nicht von ungefähr an „Kikeriki“ erinnert.

Der zündende Esprit dieser Musik, und die böse Parodie in chinesischer Verkleidung (die freilich im Finale sogar Meyerbeers Luther-Choral aus den „Hugenotten“ parodiert) wirkten noch 1885, als in London Gilbert & Sullivan ihre berühmteste Savoy-Operette „The Mikado“ herausbrachten – noch grausamer, noch komischer, in Japan spielend und natürlich das viktorianische England meinend.

Bataclan,_Paris_6_April_2008

Aus dem Pariser Café-concert Ba-ta-Clan wurde hingegen im Lauf der Jahre das Bataclan. Man spielte dort Vaudeville-Komödien, aber auch Konzerte und Revueprogramme. Der durch sein Toulouse-Lautrec-Plakat unsterblich gewordene Aristide Bruant trat ebenso auf wie Buffalo Bill und der junge Maurice Chevalier. Später wurde das Gebäude ein Kino, ab 1983 wieder ein nostalgisch geliebter „Salle de spectacle“ für vorwiegend Rock- und Pop-Konzerte. So wie auch am Abend des 13. November, der diesem unbeschwerten Operetten-Namen so brutal die multikulturelle Unschuld geraubt hat.

 

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