Gibt es nach der Mannheimer nun auch noch eine Potsdamer Rakete? Es scheint fast so. Denn ähnlich der legendären Crescendobewegung der rheinischen Hofkapelle Carl Theodors (die dann zu Mozarts Freude später mit ihm nach München wechselte) habe auch die Brandenburger Musiker der Kammerakademie Potsdam ein höchst stilfeines langsames Lautwerden kultiviert. Neuerlich zu konstatieren und zu genießen auf der jüngsten von dort servierten Silberscheibe, Felix Mendelssohns Sinfonien Nr. 3 und – passend natürlich zum Reformationsjahr – Nr. 5. Die das Dreigang-CD-Menü komplettierende Nr. 2, der „Lobgesang“, wurde gerade zur Saisoneröffnung eingespielt (mit dem NDR Chor sowie den Sängern Maria Bengtsson, Johanna Winkel und Pavol Breslik); und schon über den Auftakt mit der 1. und 3. Sinfonie waren alle des Lobes voll. Das vielfach preisgekrönte Schubert-Sinfonien-Projekt der KAP wird so würde- und wirkungsvoll fortgesetzt. Das ist natürlich auch dem dirigierenden Spiritus Rector Antonello Manacorda zu verdanken.
Der bereits in der Opernwelt global vielfach gefragte 47-jährige Turiner hat das löbliche Orchester, dem er seit 2010 vorsteht, auf ein deutlich höheres Spielniveau katapultiert und gibt auch Mendelssohn einen starken Stempel. Eben ist als konkurrierende Gesamtaufnahme auch ein Komplettzyklus mit dem Chamber Orchestra of Europe unter Yannick Nézet-Séguin erschienen. Aber die KAPs haben mehr Witz und Energie, mehr Farben und Nuancen. Differenziert ist diese Dynamik, aber jede Phrase atmet, wirkt sinnfällg, weil sie genau und pointiert herausgearbeitet ist ohne pedantisch zu wirken. So wirkt diese gern nur nette Musik auf einmal soghaft und magisch, in der „Schottischen“ entfaltet sich ein bewegtes Landschafts- und Meerespanorama, die Reformationssinfonie atmet Ruhe, Würde und Kraft des Glaubens. Da wird viel riskiert, Manacorda arbeitet mit rasanten Tempi und ebensolchen Rubati, aber nichts wirkt hektisch oder gar überhetzt. Mendelssohn fehlt alles Trantütige, diese Musik klingt frisch und feinpoliert. Wendig sind diese Musiker, und Manacorda wählt die richtigen Tempi, findet eine ausgeglichene Balance.
Am 12. Oktober sind er und die KAP übrigens auch live im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie zu erleben. Von Mendelssohn gibt es die Ouvertüre zum „Paulus“-Oratorium und natürlich die 5. Sinfonie. Mittenmang platziert erklingen zwei Mozart-Klavierkonzerte in C-Dur, Nr. 21 KV 467 und Nr. 13 KV 415. Die werden gespielt von der sich hier nur selten mit Orchester vernehmen lassenden Elena Bashkirova. Antonello Manacorda hörte vor einiger Zeit im Autoradio ein Mozart-Klavierkonzert und fuhr rechts ran, um auf die Moderation zu warten, weil er unbedingt wissen wollte, wer da spielt. Es war die Bashkirova – mit seinem eigenen Orchester! Und da war für ihn klar: Die Traum-Combo will ich auch mal! Jetzt wird sie Wirklichkeit. Mit Manacorda.
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