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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Echo Klassik Lebenswerk: Brigitte Fassbaender hat ihn mehr als verdient

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So sieht also Altersentspanntheit aus. Eine Frau, in sich ruhend und auch ruhig, abgeklärt, aber streitbar, die gern zurückschaut, aber viel lieber nach vorn. Denn da warten immer noch neue Aufgaben. Eine Frau, die mindestens zehn Jahre jünger aussieht als ihre 78, die sich als Typ treu geblieben ist, nicht nur wegen des charakteristischen Bubikopfs. Und die den Echo Klassik für ihr Lebenswerk mehr als verdient hat. Ein Weltstar der Oper, sogar als Mezzosopranistin, als Lied- und Konzertsängerin gleichermaßen verehrt. Bis heute. Man kennt sie einfach noch. Die Erinnerung an Brigitte Fassbaender in München, Wien, New York, Salzburg, Mailand, Paris, ist frisch und unverwelkt. Und das nicht nur, weil früher alles besser war, die Menschen noch mehr für die Oper geschwärmt haben oder mehr Platten aufgenommen wurden. 250 waren es bei ihr, so ungefähr. Die Fassbaender mit ihrer erdigen, leidensfähigen, aber lockenden Stimme, die in unzähligen Farbnuancen leuchten konnte, die immer aber auch Bedeutung transportiert hat, nicht nur Schönklang, die ergriffen war, beteiligt, von dem was sie sang, ohne über Grenzen des Expressiven in selbstzerstörerische Regionen hinauszugehen, diese Fassbaender war eben eine Sängerin, die man sich einprägte. Bei Mozart und Strauss, bei Verdi und Wagner. Und als Winterreisende, denn als eine der wenigen Frauen hat sie den Schubert-Zyklus gesungen und ihn sich, wie so unzählige Stücke, so zu eigen gemacht, dass man immer an sie denken muss, auch wenn heute andere die „24 schauerlichen Lieder“ interpretieren.

Sie lebt in München und auf dem bayerischen Land, wo sie jetzt wieder unterrichtet, junge Sänger coacht und einfach auch das Kulturleben genießt. Und sie seufzt: „Ich hätte eigentlich noch früher mit dem Singen aufhören müssen.“ Aber wie das? Vor 23 Jahren, einfach so, nach einem letzten Liederabend, das hat doch schon genügend Fans verstört und betrübt. „Dann hätte ich jetzt noch eine zweite Intendanz annehmen können, nur an einem Musiktheater, das wäre ein Traum gewesen.“ Dabei hat Brigitte Fassbaender auch so schon so viel erlebt, zu erzählen, vor allem aber zu reflektieren. Dabei ist sie keine Plaudertasche, sie hat seltsamerweise als längst eingemeindete Münchnerin, wo sie 1961 als 22-Jährige ihr erstes Engagement antrat, den leicht spröde-mokanten Tonfall ihrer Geburtsstadt Berlin bewahrt.

Welcher Sänger ihres Ranges könnte schon jetzt auf eine solche Zweitkarriere zurückblicken? Mit 56 Jahren wollte sie nicht mehr, obwohl der Kalender voll war: „Ich mochte mir nicht beim Altern zusehen, wollte nicht in die zweite Reihe zurücktreten, keine alten Rollen singen oder – noch schlimmer – hinterher, beim Abschminken, plötzlich wieder mir als alter Frau im Spiegel gegenübersitzen. Ich hatte meine Kreise ausgeschritten, so wie ich es wollte.“ So unsentimental und leise hat sie sich auch von ihrer Lebensrolle, dem „Rosenkavalier“ verabschiedet. Was sie diversen Marschallinnen zuflüstern musste – „keine wie du“ – das galt zu allererst für ihren kulleräugigen Lausbub, der vier Opernstunden später die Liebe gelernt hatte.

Brigitte Fassbaender klammerte nicht, sie ließ los, und wechselte ein Jahr später einfach die Seiten, um die legendäre Münchner Otti-Schenk-Inszenierung, aus der noch heute so betörend der Carlos-Kleiber-Duft träufelt, mit einer jüngeren Generation von Strauss-Sängern aufzumöbeln.„Es muss weitergehen. Wir sind alle ersetzbar.“ Sagt sie. Ihr Publikum aber fühlt noch heute Phantomschmerzen. Und es ging weiter. Es hatte ja schon angefangen. Während der ungeliebten Gesangsprofessur neben der hektischen Gastiererei so nebenbei („ich hatte dafür einfach keine Zeit, die kam viel zu früh“) hatte sie „als Fingerübung“ zwei Einakter mit ihren Studenten einstudiert, der Intendant von Coburg hatte das gesehen und sie für eine Regie engagiert. Und wieder ist sie illusionslos: „Der wollte die Kammersängerin Fassbaender. Und bekam auch den Prominentenbonus. Aber dann habe ich mich selbst durchgesetzt.“

Und zwar Schlag auf Schlag. Direkt nach ihrem Bühnenabschied, der keiner war, sondern ein Nicht-Zurückkehren, wurde Brigitte Fassbaender 1995 für zwei Spielzeiten ohne Intendant Operndirektorin in Braunschweig und verlangte dem Haus gleich den „Tristan“ ab: „Man wächst nur an Herausforderungen“, das haben ihr schon ihre Eltern mitgegeben – der seinerzeit berühmte Mozartbariton Willy Domgraf-Fassbaender, der das Glyndebourne-Festival miteröffnete, und die Schauspielerin Sabine Peters. Der Vater war auch ihr Lehrer, über beide und sich selbst will sie nun ein Buch schreiben. „Das Anfangskapitel gibt es schon, für mehr war bisher keine Zeit.“

Von 1999 bis 2012 stand sie dem Tiroler Landestheater Innsbruck vor, einem schmucken, schlanken Dreispartenhaus, wo sie auch Schauspiel inszenierte, sich in Benjamin Brittens Opern verliebte, von Strauss bis Sondheim bis heute bei mehr als sechzigmal Regie führte, ein Musical-Libretto schrieb, ihren 400 Mitarbeitern Mutti und General war, sich aber immer schützend vor die Sänger stellte. Die hat sie dank ihrer Beziehungen oft zum Freundschaftspreis bekommen, nicht wenige Karrieren mit angestoßen. Seither führt sie wieder verstärkt Regie, das tut sie das mit einer spürbaren Handschrift, aber ohne die Stücke umzumodeln. „Da habe ich einzustecken gelernt. Als gute Sängerin wird man auch von der Kritik auf Händen getragen, weil die ja meist selbst nie singen, aber bei der Regie meinen alle, mitreden zu können.“ Ob deshalb so viele Sänger, die sich als Inszenatoren versuchten, Hans Hotter, René Kollo, Theo Adam, Bernd Weikl, Gwyneth Jones, nach so kurzer Zeit wieder aufgaben? „Also ich glaube, es lag nicht nur daran“, kommt es professionell spitz.

„Ich hätte früher in Innsbruck gehen sollen, nach zehn, nicht nach 13 Jahren“, sagt Brigitte Fassbaender heute, „um noch was anderes zu machen“. Dabei tut sie das doch. Sie hat ein kleines Liedinterpretationsfestival im Südtiroler Eppan, hat bis zum Sommer das notorisch knappe Strauss-Festival in Garmisch geleitet, sitzt in jeder zweiten Intendantenfindungskommission. Ihr Rat ist gefragt. Weil sie zu keinen Jubiläumstreffen alter Sänger geht, sich lieber mit ihrem weiterhin auf Jahre ausgebuchten Terminplan befasst. Doch ein paar Freundschaften pflegt sie, zu Cheryl Studer, die bei ihr unterrichtet, oder zu Edita Gruberova, deren Tochter bei ihr in Innsbruck als Regisseurin arbeitete.

Noch was? Immer. Brigitte Fassbaender diskutiert gern, kann aber auch zuhören. Man darf sie alles fragen, sie ist für ihre Generation bemerkenswert offen. Redet etwa frank und frei über die Wechseljahre, „die bei Sängerinnen immer noch ein Tabu sind und auf die einen niemand vorbereitet. Was habe ich da alles mit Hormonen rumexperimentiert, bis ich den richtigen Doktor hatte. Oft war die Stimme morgens pelzig, man war ein Bass und musste sich mühsam bis zu abendlichen Konzert hochschrauben. Nicht schön.“ Auch das hat das Loslassen, das Aufhören erleichtert: „Immer nur dieses Selbstreferenzielle. Alles drehte sich nur darum, zur Vorstellung in Form zu sein.“

Sie spricht auch offen darüber, dass sie zwar verheiratet war, aber längst schon mit einer Frau zusammenlebt. Sie brachte es sogar zur lesbischen Ikone, „grauenvoll, was manche Fans da in mich hineinprojiziert haben. Da half nur: Distanz.“ Sie hatte halt die Hosen an. Nicht nur auf der Bühne. Heute immer noch, obwohl sie gern lässig weit trägt. Aufbruchszeit. Abtreten, die Leut’. Nur sie, sie ist immer noch da – und gefragt. Ein Wunsch freilich bleibt noch. Sie wollte doch ihre Memoiren schreiben. Aber bisher? „Keine Zeit.“

Der Beitrag Echo Klassik Lebenswerk: Brigitte Fassbaender hat ihn mehr als verdient erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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