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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Gewandhaus-Jubiläumstour IV: Blomstedt mit Bethoven und Schubert in Luxemburg

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In Luxemburg lässt man es laufen. Zumindest was die äußeren Umstände angeht. Das Hotel ist fußläufig auf dem futuristischen Kirchberg-Plateau, wo sich Banken und europäische Behörden kumulieren. So manchen Gewandhausmusiker will dann aber doch gerne noch ein wenig, wenn auch blankgeputzte, historisch gewachsene Festungsstadt auf der anderen Talseite sehen. Bevor er sich in die gemütlichen, aber fensterlosen Eingeweiden der das neue Stadtteil als Kulturleuchtturm bestrahlenden Philharmonie begibt. Hier führen Stephan Gehmacher und sein Team eines der gastfreundlichsten Musikhäuser Europas. Nix mehr Ausweiskontrolle und Security Check wie im sicherheitsbedürftigeren Paris, wo die Philharmonie zwar Backstage viel Platz bietet, aber doch sehr schwarzgrau steril aufs Tourneereisenden-Gemüt schlägt. Dafür gesunde Äpfel als aus Luxemburg als Pausensnack. Im Hotel, wo sich mancher schon glücklich wähnt, nicht auf der sechsten Blechbläser-Etage gelandet zu sein (und dann doch auch in der fünften einen Hornruf vernehmen darf), gibt es sogar einen Tischkicker, der noch nachts um ein Uhr frequentiert ist.

Bestens frequentiert war vorher schon die Philharmonie. Es ist ein gutes, breit abgemischtes Publikum, dass hier nach viel Verwaltungsarbeit nach Schöngeistigem lechzt; so mancher Anlageberater (jetzt auch mit Hipster-Bart) aber auch nur nach einem schönen Rotwein im neuen, spanisch angehauchten, supernetten Philharmonie-Restaurant. Das Haus ist gut mit Sponsoren versorgt, man sieht es von der schnittigen Limousine vor der Tür bis hin zu den Post-Konzert-Empfangsvorbereitungen im Foyer. Auch Gewandhausdirektor Andreas Schulz muss heute eine DHL-Delegation bespaßen. Die rufen ihre Kartenkontingente vor allem bei Tourneeauftritten ab, als offizieller Logistikpartner transportiert man – praktisch, praktisch – schließlich seit 2006 das gesamte Equipment des Gewandhausorchesters in Europa, aber auch nach Asien oder Amerika. Und da kann Schulz natürlich backstage wunderbar Instrumentenkisten und kostbare Geigen vorführen lassen, selbst die Solisten und Herbert Blomstedt sagen gern Hallo.

Wiederholungen können echt schön sein! Nicht nur bei der ungekürzten Schubert-Sinfonie mit ihren schon vom Entdecker Robert Schumann thematisierten „himmlischen Längen“, sondern auch im Tripelkonzert, das so selten gespielt wird, und das natürlich noch besser zusammenwächst, je häufiger die terriblen Drei sich dran machen, Klavier, Geige und Cello und Glühen bringen. Die aktuelle Boy Group führt das bei ihrem nunmehr dritten Tour-Gig (einen gibt es noch in Wien, Asien bleibt außen vor) blendend vor. Und liefert zudem Einiges an Mehrwert: während des Konzerts Überlegungen über Konzertoutfits vom Smoking mit schwarzem Rollkragenpullover (Kirill Gerstein), schwarzer Anzug mit mal Weste und offenem Hemd, dann Kummerbund und Fliege (Gautier Capuçon wahlweise in Paris und Luxemburg) sowie taubengraue Seidenjoppe zu schwarzer Hose und schwarzgrauem Haarvorhang (Leonidas Kavakos) – und nachher, beim gemeinsamen Seezunge-Essen (drei Solisten haben mehr Spaß als einer), ist als Buddy Broths, die Repertoireauffrischung mit den schönsten wie schlüpfrigsten Dirigentenwitzen garantiert; die Übergänge sind dabei naturgemäß fließend. Und warum wurde diesmal die Beethoven-Zugabe nicht angesagt? Weil man sich in Luxemburg nicht auf die Sprache einigen konnte!

Zwischendrin, stimmt, gab es auch wieder feine Musi. Herbert Blomstedt, in anderen Sphären schwebend, langte, gut ausgeruht, vor allem im Schubert etwas mehr zu als in Paris; die Halle klingt kompakter, auch mit dunkleren Resonanzen versehen. Mächtig kommen hier die Tutti-Stellen, auch schneller wirkt es, 65 himmlische Minuten dauert es doch. Die so exakte Repetition der Begleitfiguren in den supersynchronen Streichern, die weit ausschwingenden Melodien in immer neuem Klanggewand, Blomstedt balanciert das so sinnig und stimmig aus, paart Schwung mit durchdachten Klang-Architektur wie heute wohl kein anderer Dirigent. Und was ist spannender, als das in immer neuer, akustisch guter Umgebung anders und doch vertraut variiert zu hören?

Nach der dem Konzert begrüßt Blomstedt Bekannte, die extra aus Berlin angereist sind, auch Luxemburgs Chefdirigent Gustavo Gimeno macht seine Aufwartung. Und wir erleben einmal mehr, wie die unvermeidlichen Blumen (vom kambodschanischen Botschafter, keiner weiß, wieso) an eine Gattin weiterentsorgt werden. Auf Tourneen sind die leider immer ein floreales Hindernis (die Blumen, nicht die Gattin!): total reiseuntauglich, selbst in der Frackkiste. Offenbar hat nicht mal die DHL eine Speditionslösung für das verderbliche Grün. Die der Solisten wie die Bühnenblümchen Blomstedts, die eine Bratschistin abbekommen hat, schon kurze Zeit später haben sie wie stets geheimnisvoll die Besitzer gewechselt. Hätte man auch billiger haben, bzw. sich ganz sparen können. Wir plädieren endlich für wiederverwendbare philharmonische Plastikblumensträuße!

Der Beitrag Gewandhaus-Jubiläumstour IV: Blomstedt mit Bethoven und Schubert in Luxemburg erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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