Der aktuelle, heute wieder mal in einer platten Promizeremonie vergebene Echo als „Nachwuchskünstlerin des Jahres“ für die erste Platte „A Journey“ von Pretty Yende: total überschätzt, stinkige Industriemauschelei. So könnte man durchaus denken über eine schwarze Sopranistin aus Südafrika, die mit 16 Jahren das „Lakmé“-Blumenduett als „British Airways“ hörte und deshalb Oper singen wollte. Diversity und Storytelling, alles Dingen, die heute angehende Plattenkünstler mitbringen müssen. Nur gut singen, das langt schon lange nicht mehr. Und so war diese Debüt-CD wirklich eine Reise durchs Pretty-Land, vor allem hin zu den mal schnippischen, mal melancholie-umdüsterten Belcanto-Mädchen, die sie bis dahin gesungen hatte. Eher unausgegoren klang das, ein wenig flach, die Charaktere schienen nur angetippt. Alleingelassen wirkte sie auch in Zürich bei ihrem „I Puritani“-Debüt, wo die Regie dieser Elvira nichts Interessantes zu diesem Charakter hatte vermitteln können.
Doch jetzt, eineinhalb Jahre später, die zweite CD ist eben erschienen, da hat dieses Pretty-Yende-Bild schon weit mehr Farben und Tiefe bekommen. Da hört man eine gar nicht schwarz klingende Stimme mit einer satten Mittellage und inzwischen sehr sicher als Ausdrucksgesten eingesetzten Koloraturen sowie leichtgängige Spitzentöne. Die das Ergebnis harter Arbeit sind. Die auf „Dreams“ zu etwas Wirklichkeit Gewordenem fügen. Einer ernsthaften Künstlerin nämlich, die sich geformt und gehäutet hat, die sicherer geworden ist, aber immer noch weiter bei ihrer Lehrerin Mariella Devia studieren will. Und die trotzdem, mit 32 Jahren, jetzt für (fast) alle Herausforderungen bereit scheint.
Gegenwärtig sind das für die in Mailand lebende Brillenträgerin, die wenigsten als Stoffmuster etwas aus ihren weit entfernten Heimat an sich haben will, die durchaus dramatischer unterfütterten romantischen Damen und Mädchen der italienischen Oper. Dafür hatte sich Pretty Yende sich nämlich entschieden, nachdem sie nicht nur sturköpfig ihre Ausbildung am Kap durchgezogen hatte, sondern auch wusste, sie muss wenigstens einmal nach Europa fahren, sich vorstellen, einen Wettbewerb als Audition begreifen. Das Geld bekam sie zusammen, eher zufällig landete sie beim Belvedere-Competition in Wien. „Und dann gewann ich nicht nur sämtliche Preise, was mir gegenüber der sehr guten Konkurrenz schon fast peinlich war“, erzählt sie. „Ich hatte auch die Auswahl zwischen dem Münchner Opernstudio und der Mailänder Scala-Akademie, und ich habe mich für letztere entschieden, weil ich weiter nur studieren wollte, noch nicht reif für Bühnenauftritte war, auch nicht für kleine.“
Da hat jemand ein sehr klares Bild von sich. Kein Wunder, wollte sie doch erst Buchhalterin werden. Bis die Oper dazwischen kam: „Ich lasse mich von Gefühlen verführen und tragen, am Ende entscheide ich dann mit kühlem Verstand.“ Kluges Mädchen. So hat sie ihr Singen gemeistert, das Exil von zu Hause, das Leben in ihrer Traumstadt Mailand. Und jetzt lässt sie gute und schlecht ausgehende Träume Wirklichkeit werden. Auf der CD; im richtigen Leben achtet sie auf sich. Patente Pretty. Da geht der wenigstens dieser Echo 2017 dann doch in Ordnung.
Pretty Yende: Dreams (Sony Classical)
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