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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Christoph Eschenbach: „Orchester für alle! Musik für alle!“

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Gestern wurde jetzt also offiziell, was hier schon vor drei Wochen zu lesen war: Christoph Eschenbach wird Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin – freilich erst ein Jahr später, ab der Saison 2019/20. Da feiert er dann gleich passenderweise in seinen 80. Geburtstag hinein. Und 2021 soll das Konzerthaus seinen Eröffnung als Schinkelsches Schauspielhaus seinen 200. Geburtstag begehen, zusammen mit der ebenfalls so alten, hier uraufgeführten „Freischütz“. Nichts gegen Alter und nichts gegen den feinsinnigen, oft inspirierten Musiker Eschenbach – obwohl es dann schon schmerzt, wenn seinen wunderbar subtilen Pianokünste (die inzwischen offiziell öffentlich verstummt sind) auf sein Mozart-Kanzlerkonzert für drei Klaviere mit Helmut Schmidt und Justus Frantz reduziert werden, wie es jetzt nicht selten geschah. Aber passt das wirklich zusammen? Denn als Orchestererzieher und Visionär hat er sich bisher nicht eben bewährt.

Kaum einer hat damals die Nachricht aufgegriffen, so unwichtig scheint inzwischen das Konzerthausorchester selbst unter dem unauffälligen Iván Fischer geworden. Der „Tagespiegel“ war jetzt vorab versorgt worden, reagierte wieder einmal als verlängerte PR-Abteilung des Gendarmenmarktes und sangt vor allem das Loblied des glatten Intendanten Sebastian Nordmann. Die ehemalige Ost-Blatt „Berliner Zeitung“ hält natürlich auch dem ehemaligen Ost-Orchester die Stange und lobt Eschenbach als „geistvoll und melancholisch“, weil er sich „gegen den Jugendwahn“ stemme, so die „Morgenpost“,  der doch sonst die dort bejodelten Taktschläger gar nicht grün genug hinter den Ohren sein können. „FAZ“ und „Welt“ vermelden die Tatsache, die „SZ“ noch nicht einmal das. Im Radio wandt sich der Kommentator unentschlossen.

Und Eschenbach? Der schwebt – „Hallo Berlin!“– in Zeitlupe durch einen sehr lustigen Imagefilm, angetan mit schwarzer Lederjacke und lila Schal über die Oberbaumbrücke Richtung Konzerthaus. Dazu ertönen die Fanfarenklänge des 1. Satzes der in Wien uraufgeführten 3. Sinfonie des Hamburgers Johannes Brahms, und Eschi erinnert sich an Karajan, der fand, er bräuchte dann mal ein Orchester. Lange ist es her. In Houston hat er sein Job gut gemacht, weniger beim NDR, in Paris, Philadelphia und Washington, wo jeweils nach einer teuer honorierten Amtsperiode schon wieder Schluss war. In Berlin ist die klugerweise auch erst mal auf drei Jahre fixiert, Fischer wird weiterhin als Ehrendirigent regelmäßig kommen, auch Juraj Valčuha soll als Erster Gastdirigent Qualität und Programmatik des Konzerthausorchesters prägen. In Amerika und England lachen sie jedenfalls über die Berliner Entscheidung, mag Eschenbach in seinem Video noch so sehr vom jungen Berlin und dem jungen Orchester werbeparlieren. Um dann zu schließen: „Orchester für alle! Musik für alle!“ Mal sehen, wie das wird.

Der Beitrag Christoph Eschenbach: „Orchester für alle! Musik für alle!“ erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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