Quantcast
Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 826

Brugs Beste: Nummer 5 – Teodor Currentzis nimmt an Tschaikowskys Pathétique Maß

$
0
0

Jetzt lassen wir doch bitte mal die Kirche im Tschaikowsky-, besser noch im Currentzis-Dorf. Das wäre das Beste für alle Beteiligten. Auch um diese Dauer-Hysterie abklingen zu lassen. Denn der dürre Grieche mit den roten Schnürsenkeln ist weder der Heiland noch der böse Bube der Dirigentenzunft, um ihn ist weder Weihrauch- noch Schwefelgestank. Und man sollte doch von Rezensenten erwarten, dessen kalkulierte Selbstinszenierung außen vor zu lassen, sich nur auf sein Musikmachen zu konzentrieren. Und deshalb: Ja, hier ist eine wirklich gute Aufnahme von Peter Tschaikowskys 6. Sinfonie h-moll, genannt „Pathétique“ – und leider oft so gespielt – anzuzeigen. Ich war auch schon dabei, als sie vor fast zwei Jahren im Berliner Funkhaus Nalepastraße von einem erweiterten Musicaeterna Orchestra eingespielt wurde. Denn danach gab es nochmal einen halböffentlichen Durchlauf, im abgedunkelten Saal, auf Kissen, um den schamanenhaft in der Mitte taktierenden Maestro misterioso herumgruppiert. Schön war das, schroff, schnell, gut durchgeschlagen, mit Furor sehr körperhaft interpretiert. Und so nimmt Teodor Currentzis auch auf der CD diese gern malträtierte Partitur. Obwohl man sagen muss: Gute, eben nicht kitschtriefende, seelenschmerzverzerrte Einspielungen dieser so genialen wie immer noch erstaunlichen Sinfonie gibt es inzwischen öfter. Denn das Tschaikowksy-Bild vom schwächlichen Schwulen, der hier seinen Innerstes weinerlich nach außen kehrte, hat sich schon längst gewandelt. Und trotzdem war es schon Jevgeny Mravinsky, dessen legendäre Aufnahme von 1960 bei der Deutschen Grammophon bis heute nichts von ihrer messerscharf präzisen Faszination eingebüßt hat. In diese durchaus ehrenvolle Galerie reiht sich nun auch Currentzis mit seiner gespannt-feinnervigen, in großen, dunkel basslastigen Bögen das sinfonische Geschehen durchblutenden, den Marsch aber auch nicht zum Knalldelirium steigernden Variante ein. Das ist doch was! Ganz ohne Superlativ und Schnappatmung. Und auch Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker kürzlich – das war ebenfalls nicht von schlechten slawischen Eltern.

Peter Tschaikowsky: 6. Sinfonie. Musicaeterna Orchestra, Teodor Currentzis (Sony Classical)

Der Beitrag Brugs Beste: Nummer 5 – Teodor Currentzis nimmt an Tschaikowskys Pathétique Maß erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 826