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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Herrlicher TV-Ballett-Trash: die Serie “Flesh and Bone”

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FaBDas war ja zu erwarten. Je mehr Fernsehserien derzeit produziert werden (und es sind sehr, sehr viele, das Publikum kann offenbar nicht genug von längeren Erzählbögen bekommen) desto stärker müssen sich die Milieus ausdifferenzieren, um die üblichen Ingredienzien zusammenrühren zu können: Liebe, Hass, Eifersucht, Intrige, Stress im Job und im Privatleben, Cliffhänger, Überraschungseier – und gern auch ein dunkles Familiengeheimnis. So geschehen mit dem Klassikgeschäft bei Amazon mit dem vergnüglich-grellen „Mozart in the Jungle“. Klar, das – nach dem Megaerfolg mit des gruselig-schrillen „Black Swan“ – jetzt auch die Ballettwelt serienreif wurde. Zunächst einmal sind es nur acht-Einstunden-Happen in welchen sich das „Starz“-Epos „Flesh and Bone“ mit seinen sehr bezeichnend nach militärischen (!) Fachbegriffen betitelten Einzelfolgen ausbreitet. Aber die haben es in sich. Nicht umsonst lautet das Motto: „Wir machen die Schwerkraft…zu unserer Hure.“

Jeder prostituiert sich hier also auf seine Weise. Wir sehen gleich am Anfang, wie das verstörte, ach was: traumatisierte Provinzentlein Claire aus ihre dysfunktionalen Familienhölle in Pittsburgh sich dem Moloch New York in den Schlund und dem nicht minder gierigen Paul, Chef der American Ballet Company, vor die Füße wirft. Der ist so richtig schön pissig, quält zur höheren Weihe der Kreativität sie alle, am meisten aber sich selbst: “Impress me!” Der wirft sogar ein ihn nervendes Vogelnest mit quäkenden Frischgeschlüpften einfach aus dem dreißigsten Stock vor dem Ballettsaalfenster.

FaB2Klar, dass einer, der vor herzigen Piepmätzen nicht halt macht, mit Wonnen auch Menschen quält. Und so wird Claire gleich einem Sponsor als Dessert serviert, bekommt freilich die Hauptrolle in der heißen Kreation der Saison und erblüht trotz erdenschwerer Problemen an jedem Ballettstangenende zum federleichten Schwan. Das alles, samt Inzestvergangenheit, wird in düsteren Farben serviert. Da werden Kokainspritzen in verletzte Füße gerammt, Zehennägel lösen sich schon bei der Audition, tödliche Krankheiten brechen aus, da fließen Blut, Schweiß, Tränen – und anderes.

Bunt wird es nur, wenn die ehrgeizigen Ballerinen im Nebenjob für die Russenmafia strippen. Fast wie im richtigen Tanzleben. Bewahren des Lebensstandards und der eigenen Würde ist für jeden ein täglicher Kampf. Aber weil Ethan Stiefel könnerisch choreografiert, mit der faszinierend nüchternen Irina Dovorvenko als alternder Prima mit Drogenproblem und Sasha Radetzky vom ABT gute Tänzer dabei sind, und weil Ben Daniels als hysterischer Manager so wunderbar fies schwul ist, macht das durchaus konsumbereite Fernsehlaune. „Do you see what I see? You need to understand your power. Your talent. Your beauty. Harness it. Love it. Use it. And never forget: You’re mine,“ raunzt Company-Chef Paul seine Entdeckung, die von soviel Sex und Gewalt, gleichzeitig soviel Zartheit und Künstlertum verwirrte Claire, vor dem Spiegel an.

FaB3Wer möchte da wiederstehen? Zumal man gern der so verletzlichen wie toughen Sarah Hay – im echten Tänzerinnenleben Halbsolistin an der Dresdner Semperoper – in ihren lang und souverän ausgebreiteten, sensibel geschnittenen Tanzsequenzen zuschaut. Sie war übrigens schon in „Black Swan“ mit von der Ballettpartie. Natürlich regieren auch hier die Gesetze der Soap-Opera, von Übertreibung, Melodrama und Camp. Ganz so wie einst in den romantischen Ballett-Märchen. Sogar einen lebensweisen Penner als Untermieter auf dem Dach, der philosophische Pergamente als Flaschenpost verkorkt, gibt es. Und jeder verkauft hier seinen Körper, irgendwie.

Sonderlich realistisch ist das in keinem Moment Spitzenschuhfolter. Aber eindrücklich wurde es produziert von einer Frau mit Tanzvergangenheit, Moira Walley-Beckett, die einen Emmy gewonnen hat als Drehbuchschreiberin für Breaking Bad“. Und das Ballett, obwohl es hier nicht selten – wie in seiner gar nicht so ehrbaren Vergangenheit – zum Bordell wird, bekommt eine gewaltige Portion Primetime-Sendezeit ab.

Flesh and Bone (zu sehen bei Starz oder Amazon Prime)

Der Beitrag Herrlicher TV-Ballett-Trash: die Serie “Flesh and Bone” erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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