„Beethoven ist ein Mensch, kein Titan und kein Denkmal.“ So einfach sieht Philippe Jordan, der charismatische, sportive Chef der Wiener Symphoniker den Komponisten, mit dem er sich gegenwärtig am meisten beschäftigt. Er will nicht aufschauen, sondern ihn erleben, ihn für sein Publikum nahbarmachen. Ohne Anbiederung. „Er hat uns etwas zu sagen, immer wieder. Davon bin ich noch stärker überzeugt, seit ich mich ihm so intensiv widme.“ In Paris hat er als Opernchef mit seinem dortigen Orchester bereits seinen ersten, bei Arthaus auf DVD greifbaren Beethoven-Zyklus absolviert. Jetzt hat er Stufe zwei gezündet. Mit den Wienern geht es an Eingemachte. Wirklich? Bei Beethoven? Ja genau! Und während die Philharmoniker gerade unter Andris Nelsons reichlich uneben die ersten Liveaufnahmen für ihren eigenen, 2020, zum Beethoven-Jahr zur Veröffentlichung anstehenden Zyklus eingespielt haben, sind die Symphoniker schon fertig. Gerade wurde auf dem eigenen Label die erste von fünf CDs veröffentlicht – mit der 1. und 3. Sinfonie. Plastisch ausziseliert, dabei elegant balanciert, so dirigiert Philippe Jordan. Gerade in direkter Folge jedes Werk mit anderem Ansatz. Es startet entspannt in der 1. Sinfonie mit einem deliziös leicht vor dem Schlag platzierten Septakkord-Pizzicato der ersten Geigen, um sich ohne Eile und überzüchtete Manier ganz sanft zu entfalten. Hier schlüpft die Klassik aus dem Ei und ist noch ein flaumigweiches Küken, kein historisch informiert wildes Gör. Feingeistig entwickelt sich der Fugato-Beginns des vorbildlich con moto genommenen Andantes. Das Scherzo-Menuett und das langsam sich disponierende Final-Allegro atmen tänzerische Lust. Hier ist der durchaus schon raffiniertere Haydn auf Augenhöhe erreicht. Und dann geht es darüber hinaus. Was in der dramaturgisch stringenten Eroica zu hören ist: menschlich, nicht heroisch, präsent, nicht verhetzt, die innovativen Details auskostend – etwa das Spiel mit Synkopen –, aber sie nicht ausstellend. Das hat Fluss und Funken, nichts wirkt ostentativ, erzwungen, überspitzt. Jordan und die Seinen gehen einen goldenen Mittelweg: Vertrautes mischt sich mit Neuem, abgewogen zwischen den diversen Interpretationsströmungen. Das hat trotzdem eigenen Zugang, melodisch, strukturiert, nie die großen Bögen vernachlässigend.
Ludwig van Beethoven: Sinfonien Nr. 1 und 3. Wiener Symphoniker, Philippe Jordan (Wiener Symphoniker)
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