„Jauchzet, frohlocket, aufreißet die Tage!“ Und dazu paukt es D-D-D-D-A – die fünf berühmtesten Solo-Bums-Töne zumindest der Kirchenmusikgeschichte. Ja, es ist wieder Weihnachtszeit, Spekulatius liegen seit Oktober im Supermarkt-Regal, so mancher winterliche Budenzauber steht sogar schon seit November schneelos in den Innenstädten. Da ist eine Neuaufnahme des Bachschen Weihnachtsoratoriums ebenfalls so unvermeidlich wie das Amen im Gottesdienst. Während gerade das Hamburger Ensemble Resonanz frech eine minimalische Eine-Silberscheibe-Variante vorgelegt hat, wo nur 30 Nummern freilich grooven und swingen, ist das gleiche Werk für die in der Post-Rilling-Zeit neu formierten Stuttgarter Renommier-Ensembles der Gaechinger Cantorey (man beachte die neue Schreibweise!) unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann nun so etwas wie ein mediales Ankommen und Feiern; nachdem man, inzwischen streng barock geschult, bereits die h-moll-Messe und eine Kantaten-CD von Bach eingespielt hat. Natürlich erfindet auch Rademann das Johann-Sebastian-Bach-Rad nicht neu, aber er lässt die ursprünglich für die drei Weihnachtstage des Jahres 1734 und für den Jahresbeginn 1735 als Liturgiemusiken geschriebenen sechs Kantaten so fröhlich wie ernst, so sinnfällig wie sinnlich muszieren, hurtig, glanzvoll, doch mit vokal tiefem Sinn sehr schön ausbalanciert. Dafür hat er sich ein feines Solistenquintett zusammengestellt. Mädchenhaft lyrisch und mit glockigen Höhen teilen sich Anna Lucia Richter und Regula Mühlemann die Sopranstrecken, Wiebke Lehmkuhl steuert mütterlich pastos wärmende Mezzotöne bei. Sebastian Kohlhepp ist ein lyrisch filigraner Tenor und Michael Nagy ein heller, leitgewichtiger, aber angenehm gefärbter Bariton als Bass. Insgesamt keine vokalen Schwerenöter, aber das passt wunderfein zum deutlich strukturierten, durchsichtigen, behend flexiblen Chorklang, der sich deutlich verjüngt und besser abgemischt anhört. Kaum glaublich, dass diese Klangpracht nach dem Dreikönigstag 1735 für knapp hundert Jahre in den Archiven der Berliner Sing-Akademie schlummerte, bis es die Königliche Bibliothek 1854 erwarb. 1857 erfolgte dann erstmals wieder eine vollständige Aufführung im Konzerthaus der Neuen Wache unter Eduard Grell. Seither jauchzt und frohlockt es ununterbrochen. Und einmal mehr in einer durchaus empfehlenswerten Neueinspielung.
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium. Anna Lucia Richter, Regula Mühlemann, Wiebke Lehmkuhl, Sebastian Kohlhepp, Michael Nagy, Gaechinger Cantorey, Hans-Christoph Rademann (Carus)
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