Drei Opernsängerinnen und eine Musikerin behaupten, der weltberühmte Dirigent Charles Dutoit habe sie sexuell angegriffen – sie festgehalten, seinen Körper gegen den ihren gedrängt, ihnen die Zunge in den Mund gestoßen und in einem Fall eine seiner Hände in die Hose gesteckt. In separaten Interviews mit der Nachrichtenagentur AP lieferten die Ankläger detaillierte Berichte über Vorfälle, die zwischen 1985 und 2010 in einem fahrenden Auto, der Hotel-Suite des zweifachen Grammy-Preisträgers, seiner Garderobe, einem Fahrstuhl und im Kulissendunkel stattfanden. Die Frauen beschuldigen den 81-jährigen künstlerischen Leiter und Chefdirigenten des Londoner Royal Philharmonic Orchestra, sexuelle Verfehlungen am Rande von Proben und Aufführungen in fünf Städten – Chicago, Los Angeles, Minneapolis, Philadelphia und Saratoga Springs, New York. Die beiden namentlichen Ankläger sind die Mezzosopranistin Paula Rasmussen und die berühmte Sopranistin Sylvia McNair. „Er warf mich gegen die Wand, schob mir die Hand in die Hose und die Zunge in den Hals“, erzählt Rasmussen von einem Vorfall, den sie im September 1991 in seiner Garderobe in der LA Opera erlebt hatte. Danach weigerte sie sich, mit dem Schweizer allein im einem Raum zu sein. Sylvia McNair, selbst zweifache Grammy-Gewinnerin, sagte, dass Dutoit 1985 nach einer Probe mit dem Minnesota Orchestra in einem Hotel „wieder mal seinen Weg gehen wollte. Sobald wir beide im Aufzug waren, drückte er mich gegen die Fahrstuhlwand, presste sein Knie zwischen meine Beine und warf sich auf mich.“ Das Boston Symphony Orchestra, wo Dutoit regelmäßig auftrat, hat bereits Konsequenzen gezogen und eine Erklärung veröffentlicht, wonach Dutoit hier nie wieder engagiert werden wird. Auch das Sydney Symphony Orchestra hat sich von ihm distanziert. Ebenso hat das San Francisco Symphony mit ihm angesetzte Konzerte im Mai bereits gecancelt. Beim New York Philharmonic und beim Chicago Symphony soll er selbst abgesagt haben.
Die anderen beiden Ankläger wollten nicht identifiziert werden, weil sie weiterhin Angst vor der Macht des Maestros hätten, der sich auch im hohen Alter die Haare noch lächerlich schwarz färbt. Dutoit, der Ehrendirigententitel des Philadelphia Orchestra (wo man angeblich von seinem Verhalten gewusst hat und die weiblichen Mitarbeiter vorgewarnt wurden) und des NHK Symphony Orchestra in Tokio innehat, war viermal verheiratet. Darunter von 1969 bis 1973 mit der legendären Pianistin Martha Argerich (mit ihr hat er Tochter Annie), die nach wie vor regelmäßig mit ihm konzertiert und ab 2010 mit der kanadischen Geigerin Chantal Juillet. Diese war Geigerin im Orchestre Symphonique de Montréal, wo er von 1977 bis zum unschönen Ende 2002 beschäftigt war und wurde sehr schnell zur Konzertmeisterin befördert, während sie bereits ein Verhältnis mit ihm hatte. Dutoit reagierte nicht auf mehrere Versuche der AP, ihn über das Royal Philharmonic Orchestra und sein Büro in Montreal zu erreichen. Das Royal Philharmonic sagte, dass Dutoit gerade im Urlaub sei, aber dass die E-Mail-Anfragen direkt an ihn weitergeleitet habe.
Eine der Frauen, die nicht identifiziert werden wollten, sagte, Dutoit habe sie 2006 dreimal und einmal im Jahr 2010 angegriffen, ihre an die Brüste gegriffen, ihre Handgelenke gegen die Wand seines Ankleidezimmers gedrückt und ihr gesagt, dass sie bessere Musik machen würden, wenn sie ihn bereitwillig küsste. Alle vier Frauen sagten, Dutoit habe sie entweder an einen privaten Ort gelockt, um über Musik zu diskutieren oder zu üben, oder einfach nur, um zum Zug zu machen. Die Frauen sagten übereinstimmend, dass sie sich ihm widersetzten und entkamen. Sie hätten nie formale Beschwerden eingereicht, weil sie jung waren und Dutoit der Maestro war: „Ich bin nie zur Polizei gegangen. Ich bin nie zur Intendanz gegangen. Wie alle anderen habe ich in die andere Richtung geschaut“, gibt Sylvia McNair zu. „Aber jetzt ist es an der Zeit, sich zu äußern.“ McNair fühlte sich vor 32 Jahren zwar von Dutoits Verhalten nicht traumatisiert, „aber was er getan hat, war falsch.“
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