Das Israel Philharmonic Orchestra hat die Ernennung von Lahav Shani zum neuen Musikdirektor verkündigt, beginnend mit der Saison 2020/21. Das ist eine historische Entscheidung, denn der 29-jährige, in den letzten Jahren kometengleich aufgestiegene israelische Dirigent und Pianist mit Wohnsitz Berlin wird der erste zweite Musikdirektor des 1936 gegründeten, international renommierten Klangkörpers. Zudem muss er als Nachfolger in die übergroßen Fußstapfen des 2019 dort aufhörenden Zubin Mehta treten, der 1969 in diese Position berufen wurde (seit 1981 auf Lebenszeit…) und damit der dienstälteste Chefdirigent weltweit sein dürfte. Auch ihm war es schon lange wichtig, dass die Weichen für die Zukunft des Orchester nach seiner Amtszeit gestellt werden würden. Er hat immer betont, so lange auf dem Posten zu bleiben, bis ein geeigneter Kandidat gefunden ist. Und zugleich ist diese von einer breiten Mehrheit der Musiker getragenen Personalie eine wirklich exzellente Entscheidung. Denn diese nicht nur für die Kultur im Nahen Osten so hochbedeutende Institution hat eine wunderbaren Dirigenten im genau richtigen Alter bekommen.
Lahav Shani, dessen Karriere gerade in bestem Schwunge verläuft, ist seit der laufenden Saison Erster Gastdirigent der Wiener Symphoniker. Im September 2018 übernimmt er als Chefdirigent das Rotterdam Philharmonic Orchestra von Yannick Nézet-Séguin. Für die Saison 2019/20 wird er zudem in Tel Aviv den Titel Music Director Designate tragen und den dann 83-jährigen Zubin Mehta ablösen, um dann ein Jahr später komplett den Stab zu übernehmen. Shani ist zudem der erste jüdische Chefdirigent des IPO, Mehta ist indischer Parse, in der gegenwärtigen politisch-nationalistischen Situation in Israel sicher auch gut für die Institution. In früheren Jahre hatte man auch enge Beziehungen zu Leonard Bernstein, der von 1949 bis zu seinem Tod 1990 dort als Ehrendirigent firmierte.
Das Israel Philharmonic Orchestra wurde 1936 von dem polnischen Geiger Bronisław Huberman als Palestine Orchestra gegründet, zu einer Zeit, als viele jüdische Musiker aus europäischen Orchestern entlassen wurden. Das Eröffnungskonzert fand am 26. Dezember 1936 in Tel Aviv statt und wurde von Arturo Toscanini geleitet. Sein erster Hauptdirigent war William Steinberg. Geschäftsführer war zwischen 1938 und 1945 Leo Kestenberg, wie vielen Mitgliedern des Orchesters, ein deutscher Jude, der von den Nazis von seinem wichtigen Posten im Preußischen Kulturministerium vertrieben worden war. 1948, nach der Gründung des Staates Israel, wurde der Klangkörper in Israel Philharmonic Orchestra umbenannt.
Lahav Shani wurde 1989 in Tel Aviv geboren und begann dort sein Klavierstudium im Alter von sechs Jahren. Später studierte er an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Während seines Studiums wurde er zudem von Daniel Barenboim betreut. Als Gastdirigent ist er bei den Wiener Philharmonikern, die Berliner Staatskapelle, dem Philadelphia Orchestra, dem Orchestre de Paris, dem London Symphony Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Concertgebouw Orchest und dem Boston Symphony Orchestra aufgetreten. Seine ersten Auftritte mit dem IPO hatte er als 16-jähriger Pianist. Im Oktober 2013, kurz nachdem er den ersten Preis beim Internationalen Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb in Bamberg gewonnen hatte, dirigierte er in Tel Aviv die Saisoneröffnungskonzerte. Seither hat dort jedes Jahr gastiert, im Dezember 2016 leitete er das Abschlusskonzert zum 80. Geburtstag des Israel Philharmonic Orchestra.
Die perspektivträchtige Berufung von Lahav Shani ist auch ein neuerlicher Triumph für Avi Shoshani, den so langjährigen wie legendären Executive Director des Israel Philharmonic Orchestra, ein Managerfuchs sondergleichen. Der hatte schon (fast) erfolgreich um den jungen Gustavo Dudamel gebuhlt, der sich aber dann doch neben seinen patriotischen Musikpflichten in Venezuela beim jetzt stark gefährdeten Simon Bolivar Jugendorchester des El Sistema (dessen Konzerte beim Lucerne Festival im Sommer eben abgesagt wurden) für das besser dotierte Angebot des LA Phil entschieden hatte. Und auch Kirill Petrenko, zu dem das IPO eine enge Beziehung hat, war in Europa bereits zu gefragt, als dass er nach Israel zu locken gewesen wäre – und zwei Posten gleichzeitig kommen für ihn bekanntlich nicht in Frage. Ebenso hat ein anderer Petrenko, Vasily, ein gutes Verhältnis zum Orchester.
„Es ist eine große Ehre für mich, als Musikdirektor nach einer so großen Persönlichkeit wie Zubin Mehta ernannt zu werden“, wird Lahav Shani zitiert. „Dieses Orchester hat meine musikalische Entwicklung schon sehr früh geprägt und meine enge Beziehung zum Orchester war ein ständiger roter Faden in meinem künstlerischen Leben. Ich freue mich sehr auf die kommenden Jahre.“ Kein Zweifel, im Charles Bronfman Auditorium (oder Heichal Hatarbut auf Hebräisch) wird es in den nächsten Jahren wieder spannend.
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