Beschimpfungen auf der Bühne sind sicher so alt wie die Oper selbst: also mindestens 408 Jahre. Schließlich ist hier stets ein temperamentvolles Völkchen im Ausnahmezustand der Gefühle beisammen. Wer aber bisher backstage wen beleidigte, anschrie oder verlogen umschmeichelte, das blieb in der Regel hinter verschlossenen Türen. Bis zum Internet-Zeitalter. Da kann es dann eben passieren, dass Liveübertragungskameras und -mikrophone noch laufen. So wie jetzt bei der aktuellen Scala-Prima.
Verdis „Giovanna d’Arco“ wurde bei der traditionellen Inaugurazione am 7. Dezember, dem St. Ambrosius-Tag, ausnahmsweise mal nicht bebuht, sondern nur bejubelt. Offenbar auch das Verdienst des neuen Scala-Musikchefs Riccardo Chailly. Der hat nämlich nicht nur dafür gesorgt, dass dieser ziemlich schwache frühe Verdi mit seinem im Walzertakt um Frankreich spätere Nationalheilige tanzenden Teufeln klanglich veredelt wurde, sondern offenbar auch massiv verhindert, dass sich seine in der Oper bekannt spießig-bigotten Landsleute über ein paar Sexszenen zwischen der Jungfrau und ihren Dämonen hätten aufregen können. Was dem öden Singdrama durchaus ein wenig katholische Pikanterie hätte verleihen können, beschränkte sich jetzt auf das naive Herumhüpfen im Hemdchen der stämmig gewordenen Anna Netrebko. Ein paar tatschende Belzebuben wären da gerade Recht gekommen.
Es sollte nicht sein. Chailly, ein ganz und gar großartiger Dirigent, aber gegenüber jeder Art von moderner Regie resistent, hat schließlich solches schon in seiner Leipziger Opern-GMD Zeit nicht zugelassen. Und deshalb wohl machte jetzt der Belgier Moshe Leiser, Teil des Regie-Duos Leiser & Courier, dank Cecilia Bartoli und Alexander Pereira weit herumgereicht, aber nicht für Ausfälligkeiten bekannt, seinem Ärger über die Italo-Prüderie polyglott Luft: „Asshole“ und damit es auch die Italiener verstehen, „Stronzo di merda“ kreischt es da ziemlich eindeutig über die Scala-Hinterbühne. Wer wen anschreit, ist im Gewimmel zwar nicht wirklich zu sehen. Aber die Stimme wurde gleichwohl identifiziert – und der 18-Sekundenvorfall ist jetzt YouTube-Ewigkeit.
Uns hat das eigentlich nicht interessiert, solche Ausfälligkeiten kommen halt unter Alpha-Tierchen schnell vor. Aber alle anderen wollen es wissen. Weshalb wir es natürlich jetzt hier auch mit-teilen…
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