An der Bühnenrückwand ist dann – wieder mal – der Zuschauraum eines Opernhauses zu sehen. Nicht irgendeines, sondern jenes, in welchem Jean-Louis Grindas Inszenierung von Jacques Offenbachs unvollendetem Schmerzenskind „Hoffmanns Erzählungen“ aus dem Jahr 2010 gerade wiederaufgenommen wird. Diesmal freilich schauen wir gern im Spiegelblick (auch um den geht es hier!) auf die drei Logen und die 524 leeren Plätze davor, in denen wir zur Zeit sitzen. Denn die goldinkrustierte Salle Garnier, jener so einzigartige Opernannex am Casino von Monte-Carlo, sie spielt schließlich in der Aufführungsgeschichte des am meisten faszinierenden Torso des Musiktheaters eine nicht unbedeutende Rolle. Die zudem an eben diesem besonderen Ort von zwei berühmten wie passenden Partiedebütanten bekrönt wird.
Erstmals nämlich wurde hier 1904 in diesem so prunkvollen wie geschichtsträchtigen Opernhaus an der Côte d’Azur dieses neben Bizets „Carmen“ meistgespielte Stück des französischen Repertoires in einer sehr besonderen, identitätsstiftenden Version gegeben. In der wurde erstmals der bei der Pariser Uraufführung gestrichene Venedig-Akt in dann für Jahrzehnte verbindlicher Form gezeigt. Zu den zuvor schon von Offenbach selbst aus seinen „Rheinnixen“ übernommenen zwei Schlagern, Hoffmanns Trinklied und der Barcarole, kamen zwei weitere von fremder Hand hinzu. Die Arie „Scintille diamant“, und als Finale behalf man sich mit einem melodiestarken Septett.
Natürlich spielt man in der Inszenierung Grindas weiterhin die hauseigene Fassung – mit Diamantenarie und Septett. Welches Opernhaus könnte schon eine solche sein eigen nennen? Jacques Lacombe lässt das Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo feinblasig moussieren. Auf der minimalistisch ausstaffierten Bühne entfaltet Grinda mit oft simplen Einfällen das feingezeichnete Seelenpanorama eines gefallenen, am Ende von der Muse aufgerichteten Dichters.
Von Anfang an steht Juan Diego Flórez im Mittelpunkt. Der Peruaner lässt seinen Tenor leidenschaftlich glänzen, ist ideal als verwirrter Schwärmer. Natürlich kann keine Sängerin alle vier Frauenrollen (die Stella bleibt stumm) ideal ausfüllen, aber Olga Peretyatko macht es mit treffenden Farbschattierungen sehr, sehr gut. Ihre Puppe besitzt Koloraturwitz und groteske Spielfreude, die Antonia Künstlerinnenemphase, die Giulietta schnippische Kurtisanenprofession. Wenig teuflische Tiefe lässt Nicolas Courjal (als vierfach Böser) hören, Sophie Marilleys Nicolausse bleibt mezzotrocken. Mehr in Kürze in Oper! Das Magazin
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