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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Seltsam brav und altväterlich: die Berlin-Wiener Boy Band Philharmonix

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„Alles geht, so lange es Spaß macht.“ Aha, das also soll die goldene Regel der jüngsten, orchesterübergreifenden Boy Band namens Philharmonix sein. Die sieben doch schon etwas reiferen Jungs, fünf davon gehören den Philharmonikern in Berlin und Wien an, waren eben mal wieder im etwas über halbvollen Berliner Kammermusiksaal zu Gast, um dort konzertant das Erscheinen ihre ersten – selbstredend hinterher fleißig signierten – CD zu feiern. „The Vienna Berlin Music Club: Vol. 1“ nennt sich das und entpuppt sich als vom Berliner Cellisten Stephan Koncz, vom Wiener Klarinettisten Daniel Ottensamer und dem freien Wiener Geiger Sebastian Gürtler gediegen, oft mit etwa ungarischer Csardas-Sauce arrangierte Lollipop-Mischung der bewährt austauschbaren, sicher gut auf Klassikradio laufenden Art. Immerhin in Brahms’ Ungarischem Tanz Nr. 1 darf der Berliner Konzertmeister Noah Bendix-Balgley ein wenig die Saitensau rauslassen. Aber sonst kommt das erschreckend einfallslos und brav rüber. Da waren einst die I Salonisti stylisher, die 12 Berliner Cellisten mutiger und jede Café-Salonkapelle auf dem Markusplatz hat mehr Farben. Das ist alles sehr virtuos, aber in seiner weitgehend vorhersehbaren Abfolge aus Klassik-Hits und Pop-Evergreens auch erschreckend geschmacksneutral. Eine andere Philharmoniker-übergreifende Formation, das gegenwertig offenbar stillgeschaltete Ensemble Wien-Berlin (ebenfalls fünf nur blasende Kerle, darunter Ottensamer-Bruder Andreas) gibt sich zumindest seriös-ernsthafter.

Die subversiv nur posierenden Philharmonix, dieser Club der scheintoten Schlichter, das sollen also die Golden Boys des hochsubventionierten Musikbetriebs sein, die meistens noch in diversen anderen Formationen ihre Muggen machen? Hätte man da nicht ein wenig mehr Hirnschmalz auf den Auftritt verwenden können? Der rote Anzug des Wiener Bratschers Thilo Fechner ist da offenbar schon der Gipfel der anvisierten Coolness. Daniel Ottensamer quält sich durch seine faden Moderationen (haben Sie das schon mal in einem klassischen Konzert gehört?“) und das gutwillige, erstaunlich junge Publikum in den Rängen fängt schnell zu schnattern an. Ödön Rácz am Kontrabass, der auf seiner eigenen Solo-CD so viel Gipsy-frestyliger klingt, mimt den Saint-Saëns-Elefanten. Nach 35 Minuten und sieben routiniert absolvierten Nummern von Satie bis Mancini, Queen bis Grieg und Piazzolla ist nach dieser spießigen Crossover-Verrichtung schon Pause. Das Aufregendste aber war ein Cellosaitenriss. Heimgehen, an der appearance arbeiten, frecher, dreckiger, authentischer werden! Dann wird es vielleicht was mit der Vol. 2…

 

Der Beitrag Seltsam brav und altväterlich: die Berlin-Wiener Boy Band Philharmonix erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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