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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Spielzeitvorstellungen: Was gibt es Neues in Dresden und Amsterdam?

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Während das Berliner Staatsballett nach der Übernahme eines wahrhaft läppischen, ästhetisch eigentlich indiskutablen „Don Quixote“ von Víctor Ullate glaubt, mit vier Tagen Einladungsvorlauf eine Spielzeitpressekonferenz ansetzten zu müssen, die eine neue Ära einleiten soll, sind andere Opernhäuser da zum Glück professioneller. Sowohl die Niederländische Nationaloper wie auch die Semperoper Dresden, wo ebenfalls neue Intendanten anstehen, haben das weit früher angekündigt. In Dresden ist nach dem Tod von Ulrike Hessler 2012 und dem für Sachsen so blamablen wie teuren (Nicht-)Berufsdesaster von Serge Dorny mit Peter Theiler nun endlich wieder ein Intendant am Schalthebel. Der Schweizer präsentierte sich gleich in der (noch) freundlichen Trias mit Kappellenchef Christian Thielemann und dem frisch ernannten Ersten Opernkapellmeister Omer Meir Wellber. Wer Theilers Weg von Gelsenkirchen nach Nürnberg, seiner letzten Station, verfolgt hat, wird von seinen sechs Premieren im Großen Haus nicht weiter überrascht sein. Er liebt die Grand Opéra, den französischen Barock und Belcanto, das schlägt sich nieder. So gibt es zum Spielzeit-Finale 18/19 (wie schon Nürnberg), Meyerbeers „Hugenotten“ mit dem ebenfalls dort arbeitenden Peter Konwitschny. Der konnte seine eigentlich für die Pariser Opéra geplante (dort inszeniert jetzt Andreas Kriegenburg), dort wegen zu heftiger Kürzungen abgelehnte Fassung nun wenigstens zum ursprünglichen Koproduzenten an die Elbe transferieren, wo er 1999 nach dem „Csardasfürstin“-Entschärfungsskandal plus juristischem Nachspiel im Groll geschieden war.

Erste Premiere ist in einer Regie des ebenfalls aus Nürnberg mitgebrachten Calixto Bieito Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ unter der musikalischen Leitung von Alan Gilbert. Der wiederum geht, wie der Titel,  wohlmöglich noch auf eine Dorny-Planung zurück. Es folgt  „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss mit Christian Thielemann am Pult. Der hat die Oper bisher nur in 2012 in Baden-Baden und 2014 in Wien dirigiert. Er soll ungewöhnlicher Weise sogar bei allen fünf Aufführungen am Pult stehen. Dazu kommen noch zwei „Fliegende Holländer“-Vorstellungen im Repertoire – also sieben Auftritte! Und auch die Inszenierung ist nicht neu, David Hermann hat sie für Nancy ersonnen.

Klassische Repertoirepflege betreibt Theiler mit Neufassungen der „Verkauften Braut“  Bedřich Smetanas (mit Tomas Netopil am Dirigenten- und  der in Nürnberg bewährten Mariame Clément am Regiepult) und Giuseppe Verdis „Nabucco“ – der in Nürnberg wie Dresden bekannte David Bösch inszeniert, Wellber dirigiert, der zudem „Don Giovanni“, „Rosenkavalier“ und „Tannhäuser“ leitet. In Folgevorstellungen lässt ich sogar der alternde Plácido Domingo erstmals im Haus vernehmen. Auch wenn barocke Opern in Dresden in der Vergangenheit kaum Begeisterungsstürme auslösten, macht Peter Theiler nun mit Rameaus froschig komischer Darmsaitenoperette „Platée“ einen Neuanfang. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, gibt sich der 61-Jahrige optimistisch und federt sein Risiko mit dem in dem Genre unerfahrenen Publikumsliebling und regieführendem Ex-Tenor Rolando Villazón ab. Ein anderer Ex-und-Noch-Tenor, Paul Agnew, zudem Nürnberg-bewährt, hebt dazu den Stab.

Beim Ballett, wo es gegenwärtig einen Missbrauchsfall zu klären gibt, stehen unter der Gesamtleitung von Aron S. Watkin zwei Premieren an: ein vierteiliger Abend mit klassischer Moderne von Balanchine, Graham und Naharin sowie einer Uraufführung des hauseigenen Talents Joseph Hernandez und eine übernommene „Carmen“ von Johan Inger als erzählerischem Abendfüller. Vier Premieren, mal Uraufführung, mal Unterhaltung, gibt es in der Semper 2-Probebühne. Auffällig an der soliden Auftaktsaison ist auch, dass die Sängerbesetzungen wieder mit etwas bekannteren Namen prunken, die ausgeglichen über die Spielzeit und die Stücke verteilt sind. Als Schmankerl gibt es Evelyn Herlitzius als Humperdincksche Knusperhexe.

Ungewöhnlich ist auch die Spielzeitheft-Optik, für die Theiler den Fotografen Andreas Mühe verpflichtet hat. Für das Assoziationsfotos zum Fanatismus in den „Hugenotten“ hat er spätnachts 1200 Hardcore-Fans von Dynamo Dresden als gelbschwarzes Fahnen- und Schals-Wand statt im Block K des DDV-Stadions in den Rängen der Semperoper platziert.

Fotoshooting Andreas Mühe in der Semperoper

Heute hat unser designierter Intendant Peter Theiler die neue Spielzeit 2018/19 vorgestellt, die nun auch online auf www.semperoper.de zu finden ist. Die Fotos, die unsere Premieren der neuen Saison begleiten, stammen von dem Fotografen Andreas Mühe. Vier der Fotos sind eigens in Dresden entstanden – eines davon in der Semperoper, in der wir für das Premierenmotiv von »Les Huguenots/Die Hugenotten« ein ganz besonderes Publikum zu Gast hatten. Das Video wurde produziert von Volkswagen Group – Culture. Und das ist nur ein Teaser, man darf gespannt sein, was noch folgt! SG Dynamo Dresden SG Dynamo Dresden Fans

Posted by Semperoper Dresden on Donnerstag, 22. Februar 2018

Solidität als Bekenntnis zur Moderne strahlt auch der neue Spielplan der Dutch National Opera aus. Auch wenn Überintendanten-Pate Pierre Audi dort am 1. September nach 30 aufregenden Jahren den Schreibtisch räumt, um an die New Yorker Park Avenue Armory sowie das Festival von Aix-en-Provence zu wechseln, er hat noch zwei Spielzeiten komplett geplant, bevor dann die Handschrift der vom Züricher Operndirektorinnensessel wechselnden Sophie de Lint zu spüren sein wird. Hier lässt sich ebenfalls Evelyn Herlitzius vernehmen, die in Janaceks „Jenufa“ neben Annette Dasch in der Titelrolle die Küsterin gibt. Katie Mitchell ist die Regisseurin, neuerlich Tomas Netopil der Dirigent. Lotte de Beer, die ebenfalls in der Amsterdamer Intendantinnen-Endrunde war, bringt Rossinis  „Barbiere di Siviglia” heraus, Maurizio Benini steht dem musikalisch vor, Ambrogio Maestri, Nino Machaidze, Davide Luciano und René Barbera singen.

James Robinson (Regie) und James Gaffigan (Dirigat) sind das Leading Team für George Gershwins „Porgy and Bess”. Eric Owens, Adina Aaron, Latonia Moore und Janai Brugger gehören zur Vokalcrew. Als Barocktitel mit freilich nur drei Aufführungen ist Vivaldis Oratorium „Juditha Triumphans“ mit Gaëlle Arquez angesetzt. Andrea Marcon dirigiert Floris Vissers Produktion. Beim „Opera Forward Festival“ wird aus San Francisco die dort gefloppte jüngste John Adams/Peter Sellars-Unternehmung „Girls of the Golden West“ übernommen. Als Uraufführung gibt es von Micha Hamel die Kammeroper „Caruso a Cuba“. Otto Tausk dirigiert, Johannes Erath inszeniert. Dazu wird aus Mailand Pierre Audis Uraufführungsinszenierung von György Kurtágs oftmals verschobener Beckett-Vertonung „Fin de Partie“ angekündigt, von der dem Vernehmen nach aber nur ein Akt vollendet ist. Donnacha Dennehys und Enda Walshs „The Second Violinist“ komplettiert das Festival.

Der bisher weitgehend Wagner-abstinente Christof Loy führt Regie bei „Tannhäuser“ wo sich  Daniel Kirch als Minnesänger versuchen will. Musikchef Marc Albrecht steht am Pult. Im Rahmen des Holland Festivals gibt es noch einmal ein typisches Pierre-Audi-Unternehmen. Im eindrucksvollen Kessel der Westergasfabriek  zeigt er einen Zusammenfassung von Karlheinz siebenteiligem „Licht“-Zyklus. „Aus LICHT“ wird es an drei Teil-Tagen heißen, die dessen Hohepriesterin Kathinka Pasveer dirigiert. Eher konventionell mutet dann, unter Beteiligung des Concertgebouw Orchest, Debussys „Pelléas et Mélisande“ an. Daniele Gatti und Olivier Py müssen sich an der längst verklärten Arbeit ihrer Vorgänger Simon Rattle und Peter Sellars messen lassen.

Der Beitrag Spielzeitvorstellungen: Was gibt es Neues in Dresden und Amsterdam? erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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