Der Entdecker Vasco da Gama ist ein Unsympath. Er will Nachruhm und Geld, Frauen sind Mittel zum Zweck. In Gestalt der adeligen Inès wie der fremden Sélika. Ein böses, wenig emphatisch erzähltes Märchen vom alten Europa, das die neue Welt ausbeutet. So hat es Giacomo Meyerbeer für seine letzte Grand Opéra konzipiert. Er starb darüber 1864, und ein Jahr später wurde der Torso als lockendere „L’Africaine“ uraufgeführt, durch fremde Hand gestutzt. Über dreieinhalb Stunden Musik müssen es schon sein, damit nicht nur das Gift des Manzanillobaums auf die fremde Fürstin Sélika wirkt, die ihren geliebten Entdecker mit seiner portugiesischen Braut Richtung Unsterblichkeit ziehen lassen muss, sondern damit auch das opulente Opus beim Publikum sein Parfüm entfalten kann. So wie in rekonstruierter Form als „Vasco da Gama“ nun an der Oper Frankfurt.
Die Afrikanerin ist übrigens gar keine, sie dürfte auf den (west-)indischen Gewürzinseln beheimatet sein. Bei Regisseur Tobias Kratzer kommt sie von viel weiter her. Aus Kubricks „2001 – Odsysee im Weltraum“, „Avatar“, „Gravity“ und „Krieg der Sterne“ knetet er einen spacigen Meyerbeer-Mischmasch, der gut aufgeht. Aus dem Bootsfahrer Vasco wird ein Astronaut, der sein Raumschiff statt durch Wellentäler durch Meteoritenregen steuert. Von seiner Mission bringt er blaustrahlende Avatare mit: Sélika und ihren gorillaartigen Beschützer Nelusko, die mit flirrenden, doch deckenden Mezzo aufwartende Claudia Mahnke und den baritonbulligen Brian Mulligan.
Vasco, der stilistisch exzellente, strahlend makellose Michael Spyres, durchsteht die strammen fünf Opernstunden als reiner Astraltor, an dessen Teflonanzug alles Schmutzige abprallt. Am Ende dürfen Vasco und Sélika schwebend im All vereint einen Wagnerhaften Liebestod sterben. Was sich als umnebelte Erlösungsvision der Außerirdischen erweist: Der echte Eroberter pflanzt in der Luft des fernen Planeten das Banner der Erde auf. Der Regie geht ab dem dritten Akt ein wenig die Puste aus. Doch Antonello Manacorda kitzelt orchestral liebevoll Instrumentierungsfinesse und zurückhaltende Klangwollust heraus, fädelt Kontraste geschickt ein und lässt sie sich entladen. Mehr in Kürze in Oper! Das Magazin
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