Der Mittelpunkt einer Opernaufführung muss der Dirigent sein. So wie beim neuen „Don Giovanni“ am Staatstheater Cottbus. Generalmusikdirektor Evan Alexis Christ geht seinen Mozart schnell, dunkel und zwingend an. Dem langjährigen Intendanten Martin Schüler ist keinerlei Routine in seiner auf solidem Handwerk ruhenden Inszenierung anzumerken. Bei Schüler ist „Don Giovanni“, einer der wenigen Mythen der Neuzeit, vor allem Theater. Gundula Martin hat ihm eine nach vorne gekippte barocke Palastfassade gebaut, Lüster hängen auf Halbmast. Schon anfangs wendet sich Leporello an das geneigte Publikum. Der ist wirklich nur ein Diener. Andreas Jäpel singt ihn bonhommig. Don Giovanni ist durchaus noch Lebemann, der es zu weit treibt, seine Grenzen nicht kennt und erkennen mag. Mit seiner langen Perückenlockenpracht könnte der ausstrahlungsstarke, vokal einfarbige Christian Henneberg auch als Jesus Christ Superstar punkten.

Fotos: Marlies Kross
Der bald tote Komtur (bassdröhnend: Ulrich Schneider) hat samt Tochter Anna einen effektvoll ersten Auftritt in der Prozeniumsloge. Niedergestreckt wird Giovanni am Ende durch anonyme Schüsse, schon in der Friedhofsszene sind graue „Momo“-Männer zwischen Särgen geschritten. Die Gesellschaft an sich eliminiert diesen Typ, er passt einfach nicht mehr. Dafür überlebt ein weinerlicher Nerd wie Ottavio. Dirk Kleinke singt flüssig, Koloraturklippen tippt er nur an. Als prunkvolle Seria-Szene darf Sara Rossi Daldos mit angeschärfter Sopran-Allüre „Non mi Dir“ ausstellen. Sie und die wenig hysterisch gezeichnete Elvira Debra Stanleys bleiben am stärksten der Konvention verhaftet, wie überhaupt Martin Schüler geschickt mit Reifröcken und heutigen Kostümen spielt. Diesen „Don Giovanni“ erkennt jeder wieder, er fesselt mit seiner praktischen Pranke. Der Applaus ist begeistert, das Staatstheater Cottbus ausverkauft. Gut für eine Stadt, die gegenwärtig eher für negative Schlagzeilen sorgt. Mehr in Kürze in Oper! Das Magazin.
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