Quantcast
Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 826

Endlich: Serge Dorny und Vladimir Jurowski übernehmen ab 2021 die Bayerische Staatsoper

$
0
0

Da können sich die Berliner Opernhäuser mit ihren aktuellen Pleiten und Pannen noch so sehr als Hauptstadtmusiktheater gebärden, das einzige weltweit wirklich bedeutende und international regelmäßig wahrgenommene deutsche Opernhaus steht in München. Hierzulande geht das Opernleben – bei etwa 80 Häusern – eben vor allem in Breite. Und umso gespannter wartete man da jetzt auf die überfällige Nachfolgeregelung für das 2021 an der Bayerischen Staatsoper ins Finale laufende Team Nikolaus Bachler/Kirill Petrenko (der schon ein Jahr früher zu den Berliner Philharmonikern stößt), zumal die sich diesmal für die sonst so diskreten Bayern sehr öffentlich und erstaunlich ruckelig hinzog. Schließlich hat ein solches Haus lange Planungsvorläufe und so war jetzt mehr als Zeit, dass sich die heutige Kabinettsitzung nun endlich für Serge Dorny und Vladimir Jurowski entschieden hat.

Der 45-jähre Russe, Sohn des Dirigenten Michail Jurowski, auch sein Bruder Dimitri führt den Stab, lebt seit vielen Jahren in Berlin und hat dort nach einer Kapellmeisterlehrzeit zunächst eine interanationale Karriere eingeschlagen, die ihn auf Chefpositionen beim London Philharmonic Orchestra und beim Glyndebourne Festival geführt hat. An der Bayerischen Staatsoper machte er bisher nur 2015 mit einer kraftvoll flächig musizierten Premiere, Sergei Prokofjews „Der feurige Engel“, Furore. Damals war Barrie Kosky, der Intendant der Komischen Oper, der Regisseur. Und mit diesem will Jurowski bereits im Jahr 2020 – also noch als Gastdirigent – endlich in München auch einen neuen „Rosenkavalier“ herausbringen, der die legendäre Kleiber/Schenk-Produktion ersetzen soll, wie er mir sagte.

In Berlin wird der charismatische Russe mit dem vielfältigen Repertoire freilich weiterhin einen Teil seines Wirkungskreises haben, er steht seit der laufenden Saison sehr erfolgreich als Chefdirigent dem Rundfunk-Sinfonieorchester vor. Seine nächste RSB-Spielzeit hat Vladimir Jurowski unter das Motto „Der Mensch und sein Lebensraum“ gestellt, die Saisonbroschüre ist mit Pfefferminzsamen-Banderole zum Züchten versehen. Und aufgehen wird die Saat nun also an der Spree wie an der Isar. Seine Posten in London und beim zweijährig abgehaltenen Enescu Festival in Bukarest gibt er hingegen auf, beim Staatlichen Akademischen Orchester „Yevgenij Svetlanov“ in Moskau bleibt er als Berater tätig, der sich seine Zeit einteilen kann.

Während der dann 70-jährige abgehende Intendant Nikolaus Bacher sich zwar für diverse Posten ins Spiel gebracht hatte, aber bisher keinen ergattern konnte, wird an seiner Stelle künftig der überaus erfolgreiche Serge Dorny (56) folgen. Der hat seit 2003 die Opéra de Lyon zu einer weithin wahrgenommenen Institution gemacht, wegen seiner cleveren, immer wieder mit neuen Namen und ausgefallenen Stücken überraschenden Programmplanung wie mit seiner weiträumigen und intensiven Jugendarbeit. Nicht wenig beigetragen hat zu diesem Nimbus aber sicherlich auch die Tatsache, dass dorthin intensiv Journalisten eingeladen wurden. Diese Kosten waren Dorny immer wieder vorgehalten worden, und sie waren angeblich – neben der Bayerischen Kabinettsumbildung – auch der Grund, dass dessen offizielle Ernennung (es gab schon lange keine Konkurrenten mehr) sich so lange hinzog.

Für den offenen, neugierigen und bestens vernetzten Belgier dürfte diese prestigeträchtige Berufung nach München freilich auch ein persönlicher Triumph sein. War er doch 2014 auf rüde und rufschädigende Weise in Sachsen als designierter Intendant der Dresdner Semperoper gekündigt worden, weil sein Vertrag mit dem des Kapellenmusikdirektors Christian Thielemann nicht kompatibel war und dieser zu keinen Kompromissen bereit war. Dorny  ging vor Gericht dagegen vor und gewann in mehreren Instanzen. An der Elbe fängt aber jetzt im Sommer der Schweizer Peter Theiler an.

In Lyon hat der (wie Jurowski) perfekt deutsch sprechende Serge Dorny zwar nach dem Stagione-System nur wenige neue Produktionen gespielt, doch mit dem deutschen Repertoiretheater ist er ebenfalls vertraut. Er studierte in Gent Architektur, Kunstgeschichte, Archäologie und Komposition. Seine Theatertätigkeit begann er 1983 als Dramaturg an der Brüsseler Oper unter Gerard Mortier. 1987 wurde er künstlerischer Leiter des Flandern-Festivals. 1996 wechselte er als Generaldirektor und künstlerischer Leiter zum London Philharmonic Orchestra, von dort dann nach Frankreich, wo er einen unbegrenzten Vertrag hatte.

Doch leicht wird die Lage für beide im finanziell bestens ausgestatteten München nicht. Unter der gegenwärtigen Leitung hat die Bayerische Staatsoper weiterhin ihr Profil als traditionsreiches, prunkvolles, aber inhaltlich zeitgemäßes Musiktheater geschärft. Und besonders Petrenko, mit dem das Staatsorchester stark für Gastspiele nachgefragt ist (Ende März geht es auf Kurztrip nach New York zum Carnegie Hall-Debüt) wird hier wie ein Messias gefeiert. Doch das neue Führungsduo dürfte über ausreichende Qualitäten, Kenntnisse und Unterschiede verfügen, um auch weiterhin die Bayerische Staatsoper nicht nur an der deutschen Opernhausspitze zu belassen. Die Bayern haben gut und richtig entschieden.

 

Der Beitrag Endlich: Serge Dorny und Vladimir Jurowski übernehmen ab 2021 die Bayerische Staatsoper erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 826