Schon auf dem Titelbild schüttet der lachende Chefdirigent vor signalrotem Hintergrund einen Eimer Popcorn aus, dann gleich folgen nackte Fagotistinnenfüße. Bereits die locker angelegten Saisonmotive der Broschüre 18/19 des Deutschen Symphonie-Orchester Berlin macht Lust auf mehr – sogar auf Musik. Denn der seit Herbst 2017 amtierende Robin Ticciati scheint (auch wenn ihn zunächst Gesundheitsprobleme hinderten) bei seinem Orchester und auch in der Stadt, in der er seit kurzem wohnt, ziemlich angekommen. Und als Pin-Up taugt er mit sichtlicher Zeigelust also auch. Was freilich ebenso für Vladimir Jurowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gilt. Doch die beiden Stabträger, das zeugt von guter Absprache innerhalb der roc machen sich keinerlei Konkurrenz, und die Konzertgänger können sich nur über die qualitätsvolle Vielfalt freuen. Seine Offenheit für die Breite des Repertoires und seine differenzierte Auseinandersetzung mit der Vielfalt an musikalischen Stilen geht Ticciati auch in seiner zweiten DSO-Saison nach. Wobei sich manche inhaltliche Linien über mehrere Spielzeiten erstrecken.
So begann er mit Claude Debussy und widmete ihm, dessen 100. Todestag die Musikwelt 2018 gedenkt, bereits die erste gemeinsame CD. Nach Daniel Barenboim misst er sich nun an Debussys kompletter Bühnenmusik zum Mysterienspiel „Le martyre de Saint Sébastien“, bei dem Felicity Lott als Sprecherin wiederkehrt und das mit einer Suite aus Wagners „Parsifal“ sinnfällig eingeleitet wird. Neuerlich gibt es ein szenisches Großprojekt mit dem Rundfunkchor, diesmal mit Händels „Messias“, den Frederic Wake-Walker szenisch betreut. Der englische Regisseur lebt zwar in Berlin, die drei Opernhäuser haben ihn aber bisher ignoriert. Mit der dramatischen Symphonie „Roméo et Juliette“ wirft der DSO-Chef neuerlich einen Blick auf Hector Berlioz. Als zeitgenössische Werke stehen Stücke von Lera Auerbach, George Benjamin und Harrison Birtwistle sowie die Uraufführung von Aribert Reimanns „Fragments de Rilke“ auf dem Programm. In seinem letzten Saisonprogramm erkundet Ticciati dann die gedankliche Verbindung zwischen Mahlers „Lied von der Erde“ und Debussys „Pelléas et Mélisande“.
Zudem begleiten ihn und das DSO weiterhin die Sinfonien Anton Bruckners. Und noch ein Robin-Großprojekt gibt es: Sechs Konzerte, die im Februar Johannes Brahms, insbesondere seine Sinfonien in den Fokus stellen. Auch hier antwortet Ticciati, der das klingende Kleeblatt zudem eben als akustisches Abschiedsgeschenk für sein Scottish Chamber Orchestra bei Linn Records in sämig-feinsinlicher Musizierhaltung veröffentlicht hat, auf Daniel Barenboim. Der spielt – Simon Rattle hat es zudem erst kürzlich mit den Philharmonikern live und auch für exklusive Vinyl-LPs ebenfalls absolviert – alle Viere mit der Staatskapelle im Dezember/Januar. Und Ende März liegen die vier Sinfonien an einem Wochenende bei der Kammerakademie Potsdam unter Antonello Manacorda auf den Pulten. Berlin – Brahmshauptstadt der Musikwelt. Beim DSO begleitet immerhin noch Kristian Bezuidenhout am Klavier eine Clara Schuhmann/Brahms-Briefeleseabend mit Corinna Harfouch und Tom Schilling.
Auch zu den ehemaligen Chefs Kent Nagano wie Ingo Metzmacher pflegt das DSO eine regelmäßige Arbeitsbeziehung, so wie nach wie vor zu Roger Norrington und Konzerthausorchesterchef in Spe Christoph Eschenbach. Wiederkehrende jüngere Gastdirigenten sind Stéphane Denève und Jakub Hrusa. Im Rahmen der stimmungsvollen und super nachgefragten Silvester- und Neujahrskonzerte mit den Artisten des Circus Roncalli feiern der Dirigent Kevin John Edusei Premiere in der Manege des Tempodroms. Außerhalb Berlins wird sich das DSO mit einer ganzen Reihe von Gastspielen präsentieren. Diese führen neuerlich die Hamburger Elbphilharmonie, nach Eindhoven, Köln, Lugano, Lyon und über Moskau bis nach China, wo das Orchester im März 2019 unter anderem in Beijing und Shanghai spielt. Außerdem erscheint im September 2018 die zweite CD-Einspielung von Robin Ticciati und dem DSO, mit Werken von Ravel und Duparc. Neuerlich ist darauf auch Magdalena Kozenázu hören.
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