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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Silvesterkonzert I: die unlustigen Berliner Philharmoniker

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Easyjet-Orange? Müllmann-Orange? Oder doch Mietwagen-Orange? Wir konnten uns während des ganzen Silvesterkonzerts der Berliner Philharmoniker nicht so recht über die Schattierung des selbstredend trägerfreien Schlauchkleides von Anne-Sophie Mutter klar werden. Zweifelsfrei war sie eingenäht worden, denn das raffinierte Nichts mit dem neckischen Froufrou-Tüllpuschel auf der Hinterseite ließ nur Humpelschrittchen zu. Die genau zur signalfarbenen TV-Saalbeleuchtung passende Garderobe der Starsolistin ließ immerhin noch einige Überlegungen zu, der Rest dieses Konzerts eigentlich nicht. Die Musiker samt Chefdirigent versahen hier ziemlich grimmig dreinblickenden Dienst nach Vorschrift – und nicht am Extra-Preise zahlenden, von weit her (erhöhter Asia-Anteil!) angereisten Kunden.

Das war eigentlich in den letzten Jahren fast immer so. An Silvester und an den zwei vorhergehenden Warmspielabenden ist ausgerechnet die Berliner Philharmonie eine humorfreie Zone. Und die beginnt bereits beim schnauzigen Einlasspersonal, das den Gästen inzwischen sogar das Fotografieren vor dem Konzert rüde verbietet.

Nun war auch das diesjährige, wie stets vom Fernsehen wie auch in diverse Kinos übertragene Programm keine Lachsack-Parade, aber immerhin versprach es doch exquisiten Raritäten-Genus – weil endlich wieder einmal mit Sinn und Sinnlichkeit für diesen Jahresend-Event zusammengestellt: Französische Gourmet-Ware, zum Teil als Blick auf deren Sehnsuchtsland Spanien maskiert, führte man im Angebot.

Freilich offenbarte schon das Amuse-Bouche, Emmanuel Chabriers schimmrig-spritzige Ouvertüre zu opéra bouffe „L’Etoile“, eher Kartoffelstampf statt Trüffelsoufflé. Bräsig und ungeschlacht laut, vor allem im Blech klang das, da moussierte nichts, es dröhnte nur. An Simon Rattle kann es nicht gelegen haben, der mag das Werk, hat es komplett bereits 2010 an der Staatsoper herausgebracht. Doch man hörte es auch im weiteren Verlauf: Die Philharmoniker haben Schwierigkeiten mit solcher, von ihnen meistenteils noch nie gespielter Musik. Sie ist ihnen zu leicht. Mit Gassenhauern und Promenadenhits kommen sie sonst höchstens beim sommerlichen Waldbühnenkonzert in Berührung – und da spielen sie verstärkt.

Alles Subtile, Feine, Frivole ging auch der köstlich instrumentierten Ballettsuite aus Jules Massenets Spanien-Operepos „Le Cid“ ab, die imitierte Iberica klapperte nicht nur in den rhythmisch überkorrekten Kastagnetten hohl. Etwas schöner gelang Francis Poulencs kühl-elegante Suite zu dem einstigen Ballets-Russes-Blockbuster von 1923, „Les Biches“, wo man zumindest akustisch die Königinnen der Pariser Salons als Art-Nouveau-Hindinnen (vulgo: Hirschkühe, so die Titelübersetzung) vorbeitrippeln hörte.

Die Arbeit, das Schwere, die Ungeübtheit konnte man selbst der sonst technisch so souveränen Anne-Sophie Mutter anmerken, die deutlich mit Camille Saint-Saëns’ Rondo Capriccioso wie auch mit Maurice Ravels rattenfängerischer „Tzigane“-Rhapsodie rang. Das sind intelligente Virtuosen-Piècen reinster Vergnügungsflüchtigkeit. Die aber möchte man blitzen, funkeln, explodieren hören. Nichts davon! Noten wurden exekutiert, Gelassenheit stellte sich nur mählich ein, Leidenschaft, extrovertierter Spaß am Tun und Können gar nicht. Eine öffentlichkeitswirksame Pflichtübung, schade.

Ravels Weltkriegsspuk im Dreivierteltakt, „La Valse“, der klang naturgemäß weit besser. Erstens ist dieses düstere Alptraumtanzpanorama komplex genug, um beim hochnäsig philharmonischen Anspruchsniveau die Latte hürdenleicht zu nehmen, zweitens taucht es regelmäßig in den Programmen auf; zuletzt vor vier Wochen beim Debüt von François-Xavier Roth. Aber auch hier wären bis zur finalen Apokalypse noch mehr Nuancen, unruhig-nervöses Brodeln, tänzerisch wildes sich Aufbäumen möglich gewesen. Die Tanz auf dem Vulkan war ein braver, eindimensionaler.

Schließlich langte es noch nicht mal mehr zu einem passenden Encore, Musik aus Bizets „Carmen“ oder seinen „Arlesienne“-Suiten zum Beispiel. Stattdessen drehte sich Sir Simon um und raunzte kehlig: „Als Silvester-Zugabe wie immer: Brahms.“ Und dann schepperte der Ungarische Tanz Nr. 1 los, uncharmant, harsch. Yes, indeed: same procedure as every year!

Wer sich das trotzdem geben will, hat heute beim rbb Kulturradio live ab 17.30 Uhr Gelegenheit. Auf Arte ist das Konzert um 18.40 Uhr zu sehen.

Der Beitrag Silvesterkonzert I: die unlustigen Berliner Philharmoniker erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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