- Herrlich ist das Rezensentenleben: Nach der banal-preziösen Münchner „Parsifal“-Kunstmarkübung gibt es absichtslose klangschöne Belcanto-Party an der Mailänder Scala. Dort gibt man Vincenzo Bellinis dortiges Debüt, das romantische Schauermärchen „Il Pirata“ von 1827. Wagemutig: Dieser Appetithappen für Belcanto-Gourmets ist hier zuletzt vor 60 Jahren gespielt worden – mit Maria Callas. Jetzt singt Sonya Yoncheva. Aber im nicht vollen Premierenhaus geizte das Publikum mit Applaus, um dann ein paar gereizte Buhsalven auf den Bariton, den Dirigenten und das Regieteam abzufeuern.
Gut, Riccardo Frizza ist ein wenig Eigenakzente setzender Routinier, aber das Scala-Orchester hat noch immer viel Bellini- und Italianità-DNA in den Musikerkörpern. Und der Regisseur Emilio Sagi mit seinen Arrangements im perspektivisch verkürzten Spiegelkasten mit Klappdecke, dazu zeitlos schwarze Kostüme für die Herren und Edelroben für die Damen, das müssten italienischem Schönheitsempfinden schmeicheln.
Alles konzentriert auf das Protagonisten-Trio. Gestalterisch langweilig, mit stumpfer Höhe stapft Nicola Alaimo massig als Edgardo einher. Eine Überraschung ist der Tenor Piero Pretti, der sich in der Partie des Gualtiero auf sein stählernes Timbre und seine dynamisch abgestuft platzierten Spitzentöne konzentriert. Licht und Schatten bei Yoncheva, mal in Brautweiß oder in Glitzerschwarz. Sie beeindruckt mit Persönlichkeit und Auftreten. Auch für das Umnachtetsein aktivierte sie beträchtliche Vokal- und Darstellungsreserven. Doch das Timbre klingt manchmal recht ältlich, die Höhe gehorcht nicht immer. Trotzdem: eine eindrucksvolle Leistung einer wichtigen Künstlerin. Für die die Loggionisti sie leben ließen. Bald mehr in Oper! Das Magazin.
Der Beitrag „Il Pirata“ 60 Jahre nach der Callas an der Scala: Die Loggionisti lassen Sonya Yoncheva leben erschien zuerst auf Brugs Klassiker.