Das opern- und orchesterreiche Deutschland hat nicht sonderlich viele internationale Tanzkompanien zu bieten. Das ist der in Ehren gereifte John Neumeier mit seinem Hamburg Ballett, das immer noch vom Ruhm des lang verstorbenen John Cranko zehrende Stuttgarter Ballett. Und natürlich das Wuppertaler Tanztheater, das nun schon neun Jahre ohne seine Erfinderin und Prinzipalin Pina Bausch auskommen muss. Schwere Jahre der Trauer und Selbstfindung, die aber offenbar sein Geschäftsführer Dirk Hesse genutzt hat, um sich dort bequem und machtvoll einzurichten. Und anders als sein langjähriger Vorgänger Matthias Schmiegelt will er dort nicht nur zuarbeiten und helfen, sondern herrschen. Das muss jetzt offensichtlich die neue Intendantin Adolphe Binder erfahren, die ihm unterstellt ist, obwohl sie ohne sein Zutun von einer Findungskommission ausgewählt wurde. Deren Arbeit, mehr noch vor allem ihre Person behindert er ganz offensichtlich und diskreditiert sie in der Öffentlichkeit. Binder darf vertraglich nichts zu den massiven Vorwürfen sagen, aber von ihm wurde wohl nicht nur ihr Spielplan für das nächste Jahr verhindert und eine Pressekonferenz abgesagt, er dürfte wohl auch dafür verantwortlich sein, dass bestimmten, genehmen Journalisten fake news als angebliche Interna zugespielt wurden, die Binder wie eine verantwortungslose, naive, völlig ahnungslose Person aussehen lassen sollen. Eine Journalistin, die besonders gern und oft auf allen Kanälen hetzt, war früher enger mit ihm verbunden und hat sich wohl auch vergeblich auf die Intendantenstelle beworben. Hier agieren also nicht nur Teile der Presse unlauter und parteiisch, hier spielt man offenbar im Kleinen nach, wie sich gerade die Berliner Koalition fast selbst zerlegt hat. Der eben zusammengekommene, ziemlich ahnungslose Beirat des Wuppertaler Tanztheaters wollte freilich nicht so schnell über Binders fristlose Kündigung entscheiden, sondern sich erst einmal in die Fakten einarbeiten. Vielleicht wird der Fall Binder also auch zu einem Fall Hesse? Binder, die jahrelang in Berlin, Göteborg und anderswo erstklassige Arbeit geleistet hat, konnte eben mit zwei großen Premieren dem viel zu lang wie ein Museum fungierenden Tanztheater einen Kreativitätsschub verpassen, auch wenn dieser künstlerisch nur als erster Anstoß zu werten ist. Gezielt war mit der Intrige gewartet worden, bis das Ensemble im Urlaub, bzw. in Paris auf einem letzten Gastspiel vor der Sommerpause ist. In ersten Reaktionen zeigten sich führende Protagonisten des Tanztheaters entsetzt über die Anschuldigungen und wollen mit Adolphe Binder unbedingt weiterarbeitet. Nächste Woche ist in Wuppertal neuerlich Beiratssitzung.
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