„Macbeth“ und Muti. Das ist eine ziemlich unzertrennliche Kombination. Vermutlich hat der neapolitanische Maestro, der ja länger schon seinen Lebensmittelpunkt in Ravenna hat, neben dem Requiem keine Verdi-Oper öfter dirigiert. Und ganz ehrlich: Keiner kann dieses so außergewöhnliche Frühwerk von 1847, Verdis 10. Stück für das Musiktheater, besser als Riccardo Muti. Man merkt es in jeder Note. Da sitzen Dynamik und Tempi, Rhythmus und Melodie. Unglaublich, was er da jetzt wieder aus den ihm gut vertrauten Chor und Orchester des Maggio Musicale Fiorentino an Nuancen und Valeurs herausholt und -kitzelt. Der Chor singt hexengrell und hofgesellschaftsatt, die Mörder klingen dunkel verwispert, die Sieger schallend klar. Doch Muti, der trotz seiner Vertrautheit die offene Partitur vor sich liegen hat, wird dabei nie zum Dompteur: Alles kommt locker und souverän rüber, das Orchester tönt herrlich unverkrampft und idiomatisch. Und keine Szene lenkt den Regietheaterhasser in der hellhörigen Basketball-Arena Palazzo Mauro de André ab, wo er im Rahmen des Ravenna Festivals seiner Frau Christina die Oper nun zum dritten Mal gibt. Was keinen stört – wenn es so gut und gekonnt ist. Draußen, vor der pyramidalen Zeltkonstruktion mit ihrem an Dante gemahnenden Säulen-Tempietto, könnte man sich allerdings durchaus auch eine Opern-Air „Aida“ vorstellen…
Jetzt aber dirigiert er ein handverlesenes Vokalensemble. Mit dem noch nie so vielschichtigen, eben nicht nur brüllenden Luca Salsi als zweifelndem, schließlich verzweifeltem Macbeth. Mit der bewährten Vittoria Yeo als Lady – die Koreanerin trägt blutrote Rosenprints auf der Robe, wirkt ein wenig wie die böse Dame in Kurosawas Samurai-Variante „Das Schloss im Spinnwebenwald“. Sie singt kurz das Des in der Schlafwandelszene und bleibt doch als Figur zu rund, zu schön, zu wenig zerbrochen. Riccardo Zanellato gibt bassbärchenhaft einen harmlos wohlklingenden Banco. Mutis aktueller Lieblingstenor Francesco Meli stemmt die Stemmrolle des Macduff.
Und auch ohne Regie ganz passend: Alle drei Männer tragen Brillen und zu enge Anzüge. Zanellato in Schwarz sieht aus wie der Mafia-Boss, der blaugewandtete Salsi kommt als sein Anwalt gut rüber, und Meli macht als Al-Pacino-Sohnemann bella figura. Hinterher nimmt er backstage sogar noch ein Plakat mit dem Dirigierpaten Muti als Erinnerung von der Wand. Und ab Samstag gibt Riccardo Muti dann seine bestens aufgefrischten „Macbeth“-Erkenntnisse an eine junge Generation Dirigenten im Rahmen seiner neuen Masterclass weiter. So funktioniert sie also doch noch, die italienische Oper und ihre Freunde.
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