Das Ravenna Festival geht nach sieben Wochen so langsam seinem Ende entgegen, doch die Aktivitäten im schmucken Teatro Alighieri reißen nicht ab. Jetzt wurde es complettamente zu einem Riccardo-Muti-Schrein umfunktioniert. Banner an der Außenfassade und der altarähnlich Muti-Multi-Medien-Salotto künden davon: zum vierten Mal hat nun die Riccardo Muti Italien Opera Academy unter der Geschäftsführung seines Sohnes Domenico begonnen. Bis zum 3. August, täglich und in ständiger Anwesenheit des spiritus rector, wird mit vier jungen Dirigenten und vier jungen Regisseuren an Verdis „Macbeth“ gearbeitet. Dazu kommen das Orchestra Giovanile Luigi Cherubini und ein Jugendchor; aus Mutis professioneller Aufführung sind von letzter Woche Vittoria Yeo und Riccardo Zanellato dageblieben, der Rumäne Serban Vasile gibt mit gerundetem Bariton den Macbeth, der forsche Sizilianer Giuseppe Distefano (!) singt den Macduff. Und am Ende gibt es zwei Konzerte, wo das Erarbeitete vorgestellt werden soll.
Da kommt einiges auf die Beteiligten zu, das macht schon der Auftakt deutlich, eine zweieinhalbstündige, pausenlose One-Man-Show an der Rampe und am Klavier, in welchen Riccardo Muti so komisch wie ernsthaft, so spontan wie überlegt in die Interpretationsschwierigkeiten von Verdis zehnter Oper einführt. Da wird gespielt, philosophiert, gealbert, erklärt, doziert, gesungen und viel geredet. Muti erweist sich dabei als vollkommener Entertainer, der sein Publikum im Griff hat, inhaltlich trotzdem voranschreitet, seine Sänger veralbert, aber im nächsten Moment ganz konkrete Hilfestellung leistet. Das ist für den Opernliebhaber wie für den Profi gleichermaßen faszinierend. Sogar Mutis älteste Enkel hörte sich in Oma Christinas Loge einige Zeit den Opa an.
Ob er die Deutschen mit ihrer italienischen Hum-Pa-Pa-Verachtung geißelt, die Bedeutung der Banda erklärt, Verdi als Kulturmenschen wie Landmann zeichnet oder die musikalischen Kreisbewegungen erklärt, die stets bei ihm auftauchen, wenn vom Schicksal die Rede ist, er hat zu jedem Verdi-Thema Substanzielles aus seinem reichen Erfahrungsschatz zu sagen. Imitieren kann er auch, Publikum wie Mitwirkenden hängen an seinen Lippen.
Und hinterher geht es noch einmal zweieinhalb Stunden im privaten Kreis beim Dinner weiter. Da wird enthüllt, dass die Melodie der Marseillaise eigentlich von einem Italiener stammt, er mokiert sich über die Lieblingsbeschäftigung der Sänger (keine Details!) und ist komisch empört, dass die schmissige italienische Nationalhymne – echt wahr – morgens im RAI-Radio von den Berliner Philharmonikern gespielt wird! Gibt es denn gar keine italienischen Orchester mehr? In Ravenna wird jedenfalls dem Kulturverfall getrotzt.
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