Sie liebt die hohen Töne – und Chanel. Nicht ohne mein Doppel-C, außer auf der Bühne, das könnte fast ein Wahlspruch sein, zumindest im offiziellen Divenleben der Albina Shagimuratiova. Die ist zwar Tartarin und Muslimin, geboren 1979 in Taschkent, doch sie glaub vorwiegend an die Familie, die Kunst und die Mode. So ungefähr in dieser Reihenfolge. Deshalb trägt sie immer was Labelbewehrtes aus Paris. In ihre Gesangsklasse wurde sie zwar erst beim dritten Anlauf aufgenommen, dafür hat sie mit ihren fulminanten, ja dramatischen Spitzentönen längst alle damaligen Kommilitonen hinter sich gelassen. Und jetzt lässt sie eine Rolle hinter sich, die ihr sehr viel Glück gebracht hat: Mozarts Königin der Nacht. Heute Abend singt sie sie zum letzten Mal als Salzburger Festspielausklang in der Auftaktproduktion, die so schrecklich missglückte. Da war zwar szenisch, akustisch, musikalisch und vokal so ziemlich alles Mozart-verkorkst, was nur ging. Aber Albina knallte nicht nur, wenn auch hässlichst ausstaffiert und hörnerbewehrt, ihr hohes F ins Große Festspielhaus, sie bewies auch beispielhaft, dass man diese Partie für jungen Koloraturelfen auch durchaus noch im reiferen Alter und mit einer dramatischen, aber eben geläufig gurgelnden Stimme singen kann. Und vielleicht war es doch nicht nur Schicksal, dass sie just bei der TV-Aufzeichnung krank war, und an diesem Abend an eine ob dieser Chance erfreute, aber auch gestresste Nachwuchssängerin aus dem Young Singers Project abgeben musste?
Festgehalten für die mediale Ewigkeit hatte Albina Shagimuratova ihre Königin ja bereits in der viel besseren William-Kentridge-Produktion an der Mailänder Scala und sogar in Salzburg hat sie sie bereits unter Riccardo Muti 2008 gesungen. Also kann sie jetzt gut Bye-Bye, Königin! sagen. Denn längst warten singende Damen anderen Formats auf sie. Wie zum Beispiel die auch nicht eben nette, aber vokal natürlich viel ergiebigere Semiramide, mit der sie sich kürzlich an der Bayerischen Staatsoper präsentierte. Rossinis männermordende Königin von Babylon sang sie auch in London für eine Opera-Rara-Aufnahme uter dem von ihm hochgeschätzten Mark Elder, welche Anfang September erscheinen wird. In diesem Sommer ist sie übrigens auch, neben Aida Garifulina, Anna Netrebko, und Ildar Abdrazakov, bei der Fußball-WM-Gala auf dem Moskauer Roten Platz aufgetreten. Wie man hört, habe die Netrebko extra ihre Toscas in München abgesagt, um der Shagimuratova nicht allein das Singfeld zu überlassen.
Konkurrenzlos ist die Russin mit dem dramatischen Peng in der Höhe freilich sonst in uihren Vorstellungen auf den Opernbühnen, wo sie die neue Saison über als „Traviata“-Violetta (in Wien und Chicago) und „Rigoletto“-Gilda (in St. Petersburg) zu hören ist. Neben Verdi bleibt sie Rossini treu, lässt ihr Feuerwerk in Hamburg („Turco“-Fiorilla) und Moskau („Il Viaggio a Reims“) explodieren. Mozart pflegt sie als Donna Anna und Konstanze in St. Petersburg und München, aus dem russischen Repertoire kommt, wiederum am Mariinsky Theater, die Marfa in der „Zarenbraut“ von Rimsky-Korsakow hinzu. Und dann gibt es einige Male ja auch den Sopranpart in Brittens War Requiem, den er einst für Galina Wischnewskaja vorgesehen hatte, die aber zur Uraufführung nicht ausreisen durfte. Und am Ende der Spielzeit 2018/19 steht neuerlich ein Londoner Konzert samt CD-Aufnahme für Opera Rara an – diesmal ist es Donizettis „Il paria“ gewidmet.
Albina Shagimuratova lebt mit Mann und kleiner Tochter in Moskau, die diversen digitalen Kommunikationsmittel erleichtern zumindest ein bisschen das Leben und Gewissen eines solchen reisenden Opernzugvogels. Zumal für sie jetzt weltweit und an renommierten Häusern die Zeit des Erntens begonnen hat.
Aus einer Anwaltsfamilie stammend, musste sie, die zunächst Klavier lernte, sich die Welt der Oper erst erobern. Sie studierte in Kazan, wohn die Eltern gezogen waren. Ursprünglich wollte sie Chordirigentin werden, in der Singklasse hielt man sie zunächst für einen Kontraalt. Später wechselte sie nach Moskau und begann am dortigen Stanislawski- und Nemirowitsch-Danschenko Theater, wo sie die üblichen russischen Koloraturrollen wie die Schwanenprinzessin im „Märchen vom Zaren Saltan“ und die Königin von Schemacha im „Goldenen Hahn“ interpretierte.
Zum ersten Mal kam sie in die Welt hinaus, also sie von 2006-08 am Studio der Houston Grand Opera graduierte – und erst einmal Englisch lernen musste. Wichtig waren später auch die Meisterklassen bei Renata Scotto in New York, die sie auf die Belcanto-Schiene setzte. 2007 war die Goldmedaille beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb dafür der Lohn. Dann folgte als Europa-Debüt eben jene Salzburger Königin der Nacht. 2011 war sie in der weiblichen Titelrolle von „Ruslan und Ljudmila“ bei der Wiedereröffnung des Bolschoi Theaters dabei, ihr hat die kontroverse, auf DVD festgehaltene Inszenierung von Dmitri Tcherniakov gefallen. Und künftig? Anna Bolena, Il Pirata, Norma – dahin geht für Albina Shagimuratova die Singrichtung.
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