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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Gstaad Festival III: geschmückte Kühe und Sternenkids, Brahms pfirsichfarben und apfelgrün

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Wenn die Kühe im Saanenland von den Almen kommen, dann geht auch das Gstaad Menuhin Festival zu Ende. Besser könnte man den Herbst also gar nicht einläuten. Das freilich geschieht mit viel Gebimmel und Gemuhe, aber friedlich trottet das geschmückte Fleckvieh zum Züglete genannten Almabtrieb über die Dorfstraße. Die hier Promenade heißt, längst Fußgängerzone ist und mit ihren Luxusgeschäften und nur schlecht getarnten Edelcafés so gar nichts Bäuerliches mehr hat. Für ein paar Stunden jedenfalls riecht es wenigstens wieder so. Beim Festival muss sich freilich auch die Hörherde einordnen. So viele klingende Reihen gibt es da! Today’s music und Kammerkonzert, Orchester- und Galaabend, Seasons recomposed, L’Heure bleue und die Soirée Beethoven, Schuberts Ländler, Brahms in den Alpen und sogar eine Jodlermesse, die Menuhin’s Heritage Artists und Jeune étoiles am Morgen.

Bei denen schauen wir zum Abschluss in der kleinen Kapelle in Gstaad vorbei. Eine unkomplizierte Hörstunde lang gibt es höchst komplizierte Musik. Die Stiftung Kiefer Hablitzel / Göhner fördert junge Musiker und präsentiert als Preisträger den italienischen Harfenisten Valerio Lisci und den in Kasachstan geborenen Geiger Shernyaz Mussakhan. Der eine lässt Musik von Salzeto, Rota und Fauré perlen, der andere greift mit Saint-Saëns’ von Eugène Ysaÿe noch einmal komplizierter arrangierter Caprice d’après L’Etude en forme de valse nach dem allerhöchsten Schwierigkeitsgraden. Beide glänzen sternenfunkelnd mit einer weiteren Saint-Saëns-Fantasie zusammen. Und setzen die Tagesmaßstäbe.

Für das nachmittägliche Kinderprojekt mit Brahms im großen Zelt fehlt uns die Zeit (die beansprucht einmal mehr die Wellness-Etage…). Aber auch später, im schön ausgemalten Kirchlein von Rougemont, gleich hinter der französischen Sprachgrenze, beim Abschlusskonzert der Baroque Academy geht es so entspannt wie abwechslungsreich zu, obwohl nur Blockflöten und Gamben sich vernehmen lassen. Doch die Schüler von Maurice Steger und Hille Perl sind wirklich top, divertieren mit einem sämigen Menü von Veracini, Sammartini, Marais, Pandolfi, Bach, Corelli, Vivaldi und Händel. Und selbst die Akademieköchin wird hier gefeiert.

Schließlich drängt alles zum allgemeinen Abschlusskonzert des Festivals und zurück zu Cüpli und Canapés, Flüssigen und Fingerfood. Und zu schön fetter, aber schlank servierter, tänzerisch beschwingter, dabei gar nicht böhmakelnder Musik von Dvorak und Brahms. Zwar hat letzter sein Doppelkonzert ebenfalls am Thunersee vollendet, mit der Achten von Dvorak geht es aber sinnfällig vergnügt als Festspielfinale hinab ins Mittelgebirge der böhmischen Wälder. Es dirigiert freilich ein polnischer Russe am samtumsäumt roten Filarmonica-della-Scala-Pult vor lauter Milanesen, zumindest Italienern: Andrei Boreyko als Einspringer für Christoph Eschenbach. Vilde Frang und Sol Gabetta, Norwegen und Frankreich-Russland-Argentinien-Schweiz, das mischt sich nicht nur klanglich apart, sondern auch farblich kleidermäßig in pfirsichfarben und apfelgrün. Und so ist das 62. Gstaad Menuhin Festival zu einem guten Musikende gekommen.  Am nächsten Tag lacht wieder auf dem Balkon die Sonne vom Berggipfel. Ja, der Festspielsommer war sehr groß! Auch in der Schweiz.

 

Der Beitrag Gstaad Festival III: geschmückte Kühe und Sternenkids, Brahms pfirsichfarben und apfelgrün erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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