„Dienstkarte“. Das stand sicher auch schon vor 100 Jahren auf den Pressebillets, die die am 1. Oktober 1918, nach dem großen europäischen Hauen und Stechen, zu Berlin frisch gegründete Konzertdirektion Hans Adler aufgelegt hat. Und so lesen wir das heute noch, wenn der längst älteste deutschsprachige Veranstalter- und Agenturbetrieb in der Berliner Philharmonie den 100. Geburtstag feiert. Mit Grußwort der Kanzlerin im Programmheft und Bundespräsident Steinmeier im vollen Saal. Mit Häppchen und Sekt hinterher und mit vielen Partnern, Freunden und Bekannten in den Reihen. Adler – das ist nicht nur eine Berliner Institution, das ist immer noch der mit 90 Jahren aufrecht stehende Witiko Alder, der 1948 das Unternehmen von seinem früh verstorbenen Vater übernahm, das der auch nach dem zweiten großen Krieg noch einmal aufgebaut hatte. Er führt es, mit seiner Frau Jutta, bis heute. 100 Jahre Adler, das ist aber vor allem Musik. Gleich zwei der allergrößten Musiker, lange und eng verbunden dem Hause, haben sich zu Gunsten ihrer beider Stiftungen (130.000 Euro kommen zusammen) für ein sehr besonderes Geburtstags und Benefizkonzert zusammengefunden: Anne-Sophie Mutter (nicht in Adler-, aber Yves-Klein-Rückenfreiblau) und Daniel Barenboim. Der merke hinterher nur an: „Adler hat mich erstmals in dem Jahr für ein Konzert nach Deutschland geholt, in dem Anne-Sophie geboren wurde (also 1963).“
Nun als spielten beide zum ersten Mal im Duo, lässt ich die Mutter doch sonst leider meist nur von Tastendrückern begleiten: Violine dominiert und gibt den Ton an! Das ist diesmal nicht so. Sonate für Klavier und Violine, so steht es ja auch noch über Mozarts G-Dur-Werk KV 379. Das ist noch ein eher trübes Warm Up, mauschelig, schief, verhalten. So langsam kommen die beiden auf dem Podium aber in die Balance und den Flow. Mutter murkelt noch mit zu viel Vibrato, Barenboim huscht über die Tasten so weg. Ein romantisch meisterliches Missverständnis.
Bei der 1. Sonate von Johannes Brahms geraden die Dinge dann ins Lot, interpretatorisch wird mählich ein Fluss draus. Noch immer wird um die Vorherrschaft gerungen. Barenboim findet feine Linien, Mutter lässt Legato-Bögen immer weiter, auch über das Taktmaß sich ausdehnen, sie streckt und biegt sich förmlich. Zart, lasiert, bisweilen auch dünn und spröde klingt das. Doch es fasziniert die Souveränität, mit der die Mutter über den Notentext gebietet, und auch Daniel Barenboim spielt sich zuhörens frei. Brahms, der Vermittler und Verbinder. Erstaunlich aber, dass selbst bei den soignierten Adlers im Galaprogramm längst auch zwischen den Sonatensätzen geklatscht wird.
Auf der Höhe ihres Könnens und ihrer Künstlerschaft sind Anne-Sophie Mutter und Daniel Barenboim freilich erst beim Sonatensolitär von César Franck. Schon das sich kräuselnde Anfangsthema hat Distinktion und Finesse, nun spielen sich zwei großen Individuen mit Lust die Passagenbälle zu. Es beginnt ein wirklicher Dialog, ein freundliches Match mitunter, Töne blitzen und funkeln. Und im Finale galoppieren beiden blitzeschnelle davon, kommen aber haarscharf synchron ins Ziel. Großer Jubel. Auf mindestens weitere 25 Adler-Jahre!
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