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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Berg-Banalität an der Deutschen Oper Berlin: Wozzeck ist jetzt Norweger

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Angeblich war der Opernregisseur Ole Anders Tandberg vor einigen Jahren mal eine ganz heiße Nummer. Deshalb hatte ihn die Deutsche Oper Berlin 2015 eingeladen, Dmitri Schostakowitschs unzerstörbare „Lady Macbeth von Mzensk“ zu inszenieren. Doch außer der auf vollen Touren laufenden Sopranfräse von Evelyn Herlitzius (die gerade ihren Brünnhilden auf Nimmerwiedersehen gesagt hat und mit Küsterin und Amme ins Altersmezzofach rutscht) blieb da nur ein Haufen von Plastikdorschen in Erinnerung. Dann durfte Tandberg Anfang diesen Jahres schon wieder an der Bismarckstraße ran. Und verwandelte „Carmen“ in eine alberne Lachnummern mit Flamencoröckchen, dauergeilen Soldaten, monströsen Stierhoden und organgeschmuggelten Plastikherzen. Doch die Deutsche Oper hatte die cochones, den Typen jetzt schon wieder ans Regiepult zu lassen. Diesmal war „Wozzeck“ angesagt, auch so Stück, das zum Glück immer funktioniert. Wie diesmal, wo Tandberg wieder nix eingefallen ist. Deshalb sind Wozzeck und Marie nicht inszeniert, nur arrangiert als banales Mittelklassepaar: er im blauen Anzug, sie im Faltenrock. Zusammen mit ihrem wohlstandsfetten Kind sitzen sie in einem unwirtlichen Restaurantspeisesaal und warten auf bessere Berg-Zeiten.

Die kommen aber nicht. Dafür ist das kompakte Werk nach neunzig Minuten aber schon wieder vorbei, und sie beide liegen tot auf der Tischdecke. Herr Tandberg aber hat sich daran erinnert, dass er Norweger ist und deshalb laufen hier alle mit gerecktem Flaggenwimpel und in Norwegischer Tracht herum. Selbst die nacktärschigen Soldaten, denen Wozzeck am Sack rumrasieren muss und ihr Tambourmajor (Thomas Blondelle) tragen die passenden Uniformen. Wieder das einzige, woran man sich später inszenatorisch erinnern wird. Ach halt, es gibt noch – als Hommage an Berlin? – ein unsexy Rudelbums im Wirtshaus, und der Narr (Andrew Dickinson) kommt als Chonchita im Solveig-Dirndl.

Musikdirektor Donald Runnicles dirigiert seinen Alban mit breitem Strich, viel zu schön, und ohne Handschrift. Es fehlt das Beben, die Aggression. Selbst das gigantische Crescendo auf dem Ton H nach dem Mord an Marie wird hier nur ein Pups mit Tuba-Patzer. Der dänische Bassbariton Johan Reuter, mit dessen Videoaugenblitzen auf dem Zwischenvorhang die Oper anhebt, ist als Wozzeck ein verlässlich warmstimmiger Protagonist, hier muss er nie aus seiner Komfortzone. Elena Zhidkovas Marie, die sie schon 2014 unter Runnicles mit dem BBC Scottish Symphony Orchestra gesungen hat, mangelt es an Deutsch und an Einfühlung. Hier kann man nur eine schnippisch unausgefüllte russische Sekretärin zu erleben.

Dafür bringt Operndirektor Christoph Seuferle wieder sein gut aufgestelltes Ensemble zum Vokalleuchten. Burkhard Ulrich gibt hoch zu Plastikross einen grellen, nuancenreichen Hauptmann, der kerlige Seth Carico ist der düstere Doktor, der einen Lurch killt udn sich den Finger abschneidet. Wunderbar prollpatzig in ihren wenigen Sätzen nölt Anika Schlicht als Bedienung Margret. Und selbst für den 1. Handwerksbusch ist noch der grummelige Tobias Kehrer aufgeboten. Die machen diesen „Wozeck“ wertig. Mit Norwegischen Nichtskönnern könnte aber jetzt hier wirklich Schluss sein. So was hätte an diesem Haus früher selbst der Ewige Friedrich-Adlatus Winnie Bauernfeind professioneller und besser gekonnt.

Der Beitrag Berg-Banalität an der Deutschen Oper Berlin: Wozzeck ist jetzt Norweger erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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