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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Zweite Festival-Premiere in Wexford: William Bolcoms „Dinner at Eight“ imitiert gekonnt Hollywood-Nostalgie

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Während in Irland, dem einzigen europäischen Land, mit einer nur zeitweise existierenden Nationaloper (selbst Island hat so was ähnliches) beständig diskutiert wurde und wird, wie irisch ein irisches Opernfestival zu sein hat, wurden bei der Wexford Festival Opera Fakten geschaffen. An jenem, nunmehr in der 67. Saison spielenden Ort der Musiktheater-Raritäten amtiert seit 2005 als Intendant der amerikanische Dirigent David Agler. Der hat nach nur drei Werken lebender Komponisten in 53 Festival-Ausgaben während seiner bisher 14 Spielzeiten sieben weitere zur Liste der großen Opern und weitere drei zur Fülle der nachmittags im Clayton Hotel gegebenen Kurzopern hinzugefügt. Und neben den meistenteils italienischen und französischen Ausgrabungen diverse englischsprachige Titel dem hier gepflegten Repertoire zugeführt. Ein Höhepunkt war jetzt gewissermaßen die europäische Erstaufführung der vierten großen Oper des natürlich auch anwesenden 80-jährigen Willam Bolcom, die letztes Jahr bei der koproduzierenden Minnesota Opera herausgekommen ist – beide Male mir Agler selbst am Pult. Und wieder, wie schon bei „A Wedding“, nach dem auch im Musiktheater selbst Regie führenden Robert Altman und seinem gleichnamigen Film, wurde es ein Komödie. Vorlage ist ein einst berühmtes drawing room play, George S. Kaufmans und Edna Ferbers „Dinner at Eight“; woraus 1933 der gleichnamige Hollywood-Klassiker von George Cukor wurde.

Doch wer kennt heute noch einen alten Schwarzweiß-Film mit längst verwehten Namen wie Wallace Beery, der damals höchstbezahlten Marie Dressler und den Barrymore-Brüdern? Billie Burke, die schrullige Gastgeberin mit der Quickstimme, die hier zum formvollendeten Abendmahl mit höchst unterschiedlichen sechs Gästen lädt, hat sich immerhin mit der guten Fee Glinda in „The Wizzard of Oz“ einen Zipfel Zelluloid-Unsterblichkeit erspielt. Und nur Jean Harlow, die hier einmal mehr eine reiche Schlampe gibt, blieb wegen ihres frühen Todes (angeblich wegen zu viel Haarbleichmittel) als kess komische Platinblondsirene in Erinnerung.

Fotos: Clive Barda

Man muss also schon sehr auf Nostalgie setzten, auf Roaring Twenties, Jazzbesen, Art Deco und gute Wortwitze, um dieser leicht vergilbten Charakterkomödie auf die dramatischen Sprünge zu helfen. Bolcom und seinem Librettisten Mark Campbell ist das geglückt. In dem sie mit viel klanglicher Camouflage und literarischem Zitatkönnen den Eindruck erwecken, Stephen Sondheim habe ein Cole-Porter-Musical geschrieben und gleich tanze auch noch  Fred Astaire um die Ecke.

Das nicht mal zwei Spielstunden dauernde Werk ist temporeich und fluffig, nur für den genießerischen Augenblick gedacht, leichtgewichtig und geschmeidig, stimmungsreich, aber kaum originär – eine perfekte Kopie; die aber hübsch fabriziert. Wozu auch die elegant-schnelle Inszenierung von Tomer Zvulun mit ihren musicalhaft fließenden Verwandlungen das Ihre beiträgt. Alexander Doge stell die New Yorker Skyline auf die Seite und den Kopf, man kann sie sogar wegklappen, wenn wieder ein neues, tolles Möbel hereinfährt. Rauf und runter geht es mit Brokattapeten-Paneelen und wurzelholzgetäfelten Wänden, ganze Schlafzimmer fahren auf hohen Podesten herein, darin wird gestritten, geküsst, diskutiert und gelästert.

Denn die feine Gesellschaft ist natürlich keine solche. Da nahen Pleite und feindliche Übernahme, ereignet sich Selbstmord wegen Vergessens als Star, lauern Untreue und Betrug, Gewöhnlichkeit und Berechnung in den Seitenkulissen. Das wird zu einem quirligen Musikcocktail verrührt, der rasant blubbert, angeführt von der in immer neuen Nuancen sopranzeternden und jammernden Mary Dunleavy (Millicent Jordon) als eine amerikanischen Reinkarnation der dauerplappernden Christine aus Richard Strauss’ Heimspiel „Intermezzo“. Und das alles als letztes Glamour-Zucken angesichts der großen Depression.

Stephen Powell ist der nicht nur gemütskranke Reeder-Ehemann Oliver, der einen wichtigen, aber gewöhnlichen Finanzier aus Texas (Craig Irvin) einwickeln will. Mit dessen vulgärer Frau (Susannah Biller, nicht nur optisch auf Harlow-Spuren) hat sein Arzt (Brett Polegato) ein Verhältnis, dessen Frau Lucy (Sharon Carty) weiß alles. Dann ist da noch Schauspielerin Carlotta (Brenda Harris), mit der Oliver mal näher bekannt war und die ihr Kapital transferieren möchte. Und Paula (Gemma Summerfield), die fade, verwöhnte Tochter des Gastgeberpaars, hat ein Verhältnis mit dem abgehalfterten Schauspielbeau Larry (Richard Cox), der pleite ist und lieber mit Verve sein Leben beendet als noch einmal toddröge zu dinieren. Das zur Unterhaltung bestellte Streichquartett reduziert sich auf einen Zigeunergeiger, der Hummer in Aspik fällt in der Küche zu Boden und, ach ja, die adelige Ehrengäste aus England, die sagen natürlich ebenfalls ab.

Das rutscht, animiert vom versatilen David Agler samt spielfreudigem Orchester, schnell und rückstandsfrei durch, will nie mehr scheinen als es ist, auch wenn Angestellte und Abhängige als griechischer Chor orakeln, dass „the party always goes on“. Macht aber für seine Spieldauer Spaß – dank der scharf gezeichneten Porträts und ihrer Darsteller. Was für eine zeitgenössische Oper nicht schlecht ist und für eine verspätete Buffa ziemlich gut. Am Ende stellen sich alle Übriggebliebenen, in Vita Tzykuns Glitzerroben so eben noch einmal der Katastrophe davon Gekommenen, aber nicht wirklich kathartisch Geläuterten hin und prosten sich als Schatten zu. Möge das lange beschworene Dinner nun endlich beginnen. Langweilen kann man sich auch schlimmer. Dann mal Cheerio und Tusch!

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