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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Sonya Yoncheva in der Berliner Philharmonie: üppiger Verdi und ein wenig Walzer im halbleeren Saal

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Wiedermal so typischer Berliner Konzert-Fall: Dienstagabend Philharmonie, kleines Konzertbüro mit wenig Stammkundschaft und Marketingbudget. Teure Karten und von der Plattenfirma ist auch keiner im halbleeren Saal zu sehen. Während die Philharmoniker subventionierte Konzerte mit András Schiff oder Daniil Trifonov veranstalten, die auch so ausverkauft wären, tut sich ein Gesangstar selbst nach zwei bejubelten Premieren an der Staatsoper (die „Médee“ war gerade eben) auf dem freien Markt schwer, die Leute zu einem Arienabendbesuch animieren. Obwohl nur Verdi auf dem Programm stand und mit dem motivierten Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter dem rhythmuszackigen, metiersicheren Massimo Zanetti bester Begleitklangschutz auf dem Podium aufgeboten war. Doch die bulgarische Sopransexbombe (bei ihr darf man das noch sagen) Sonya Yoncheva ließ sich nichts anmerken, teilte bereitwillig ihre Stimm- und sonstige Schönheit aus, erst in Weiß mit hohem Beinschlitz, dann in Schwarz, mit raffiniertem Querdekolletee, auf dem der Diven-Colliergriff besonders gut kommt.

Ihr Programm war kurz, aber intensiv, eingerahmt von den Ouvertüren und Vorspielen zu „Les Vêpres Siciliennes“, „La Forza del destino“ und „La traviata“ sowie den nachkomponierten „Otello“-Ballabili. Und anders als auf der leider missratenen Sony-CD gelangen Sonya Yoncheva wunderbar musikalische, warmstimmige Arienmomente mit freie Höhe und fraulicher Vibratoschönheit. Das ist lyrisch-dramatischer Verdi-Gesang wie ihn gegenwärtig nur noch Anna Netrebko beherrscht. Das Publikum war glücklich mit ihren Interpretationen der ersten „Trovatore“-Leonorenarie samt Cabaletta, von „La mia letizia infondere“ und dem weit gesponnenen „Pace mio Dio“.

Nach der Pause sang sie ganz hervorragend, wenn auch in mulmigem Französisch die große Elisabeth-Szene aus „Don Carlos“, „Oh! nel fuggente nuvolo“ („Attila“) und die Schlussszene aus „La traviata“. Nur liebe Sonya, bitte nächstes Mal den kleinen Bruder Marin, der Ihnen früher gern bulgarische Fernsehzeit in seinen Popshows gegeben hat, zu Hause lassen. Im Klassikfach ist er ein rhythmussteifer Tenorino, mit weißem Stimmchen, nervös und farblos. Nicht mit mal Walzertanzen kann er, obwohl ihn die große Schwester im zugegebenen „Traviata“-Trinklied animierte.

Der Beitrag Sonya Yoncheva in der Berliner Philharmonie: üppiger Verdi und ein wenig Walzer im halbleeren Saal erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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