„I geh ins Wossa“. Dem Mariandel im „Rosenkavalier“ folgt Gustav Kuhn, der nunmehr komplett geschasste, all seiner Ämter entbundene und selbst von seinem schwerreichen Gönner Hans Peter Haselsteiner offensichtlich fallen gelassene „Maestro“ und Ex-Erlkönig, nicht. Aber er geht „für ein paar Monate“ ins Kloster, „entsagt der schnöden Welt“ (Haselsteiner), zieht sich von seinen Erler Festspielen in seine Accademia Montegral bei Lucca zurück, wofür er sich jeden Monat ohne Gegenleistung 12.000 Euro aus der Erler Festspielkasse überweisen hat lassen, wie er selbst bestätigte. Dort kann er dann unter einem seiner vielen Pseudonymen wahlweise als „Angelo“ oder „Furore di Montegral“ agieren. Vorher hatte Kuhn am Montagabend im ORF einen grotesken Auftritt hingelegt, bei dem er wieder nichts zugeben wollte, alles abstritt, kleinredete oder weglächelte.
Ok, das Problem Kuhn scheint nun in Erl zumindest formell gelöst, von Haselsteiners Gnaden soll der sich gar nicht für die sowie ab 2020 ausgeschrieben Nachfolge beworben habende Frankfurter Opernchef Bernd Loebe jetzt den Tiroler Augiasstall so neben seiner eigentlichen Opernarbeit in Hessen ausräumen und den Opernmisthaufen auf dem Land wieder in eine blühende Klangwiese verwandeln. Dafür braucht es Passion, nicht nur Passionsspiele. Dabei ist das Problem dort nicht allein Gustav Kuhn. Auf ihn und seine Machenschaften war das Festival allein zugeschnitten. Aber wer braucht das eigentlich noch? Inszenierungen, die diesen Namen verdienen, fanden nie statt, nur laienhaftes Herumgeschiebe von Personen. Das vorwiegend aus osteuropäischen Billigmusikern gecastete Orchester und der Chor waren nie was Besonderes, die Preise aber schon. Und es gab ja nicht nur zwischenmenschlichen, sondern auch jede Menge arbeitsrechtlicher Unregelmäßigkeiten in Erl.
Wie soll jetzt ein wiederum alter weißer Mann (Loebe wird bald 66), der in Frankfurt so viele Premieren herausbringt wie kein anderes deutsches Haus und ein großes Ensemble zu beaufsichtigen hat, in Teilzeit die auch künstlerische Erler Schieflage beseitigen und einen Neuanfang so nebenbei stemmen? Loebe dachte auch schon, einigermaßen respektlos, er könne die Bregenzer Festspiele so nebenher laufen lassen – und war dann am Bodensee schnell wieder aus dem Intendantenrennen. Gut, eine Handvoll Kritiker hat ihn in einer von vielen, wenig repräsentativen Umfragen mal wieder zum Opernhaus des Jahres gewählt. Aber was heißt das schon? Salzburg hat er nicht bekommen. Sein Vertrag in Frankfurt läuft bis 2023, dann ist er 71, will es aber offenbar bis dahin noch mal wissen. Aber warum ausgerechnet im albernen, überflüssigen Erl? Warum macht Bernd Loebe sich damit seine großartige Reputation als Ämterhäufler klein?
Ja, Brigitte Fassbaender (79) soll einen neuen Erler „Ring“ inszenieren. Aber die wird sich, so wie auch die anvisierten jungen, tollen Dirigenten (die es hier nie gab) und der fantastische Sängernachwuchs, der (trotz aller himmlischen Engelsbemühungen) bisher eher selten für die große, teure Opernwelt jenseits von Erl taugte, künftig nicht mit Lohndumping abspeisen lassen. Wissen das der Mäzen Haselsteiner, der dann doch wieder gleich die Steuerzahler zur Kasse bittet, und der sicher auch nicht für Gottes Lohn antretende Sommer- und Winterfrische-Direktor? Loebe muss zudem wohl in Erl systemisch alles in der Verwaltung und künstlerischen Administration austauchen, schließlich wurden auch dort Kuhns Machenschaften gedeckt und gerade noch Künstler zu seiner Verteidigung eingespannt. Auch das kostet. Wenn es dort wieder flutschen soll, muss er kontrollieren, überwachen, so wie er es fast täglich in Frankfurt tut. Und das soll so auf Distanz, mit wenig Anwesenheit und unter Haselsteiners Schatten funktionieren? Da sind wir aber gespannt.
Der Beitrag Gustav Kuhn geht – und Frankfurts Bernd Loebe wird Teilzeitausmister im Erler Opern-Augiasstall erschien zuerst auf Brugs Klassiker.