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„Definitive Ablehnung“: Christian Thielemann will Nikolaus Bachler keinesfalls bei den Osterfestspielen Salzburg, der Aufsichtsrat schon

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„Ich hatte im Vorfeld in mehreren Schreiben und Gesprächen unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine Zusammenarbeit mit Herrn Nikolaus Bachler bei den Osterfestspielen nicht in Betracht kommt. (…) Der Aufsichtsrat wurde in seiner Sitzung vom 12. September erkennbar nicht ausreichend von meiner (…) definitiven Ablehnung des Kandidaten Bachler unterrichtet.“ So schrieb Christian Thielemann an 24. September an Sarah Wedl-Wilson, die Aufsichtsratsvorsitzende der Osterfestspiele Salzburg. Die „Salzburger Nachrichten“ haben diese und andere, sehr ablehnende Korrespondenz eben publik gemacht. Diese steht diametral zu den vorgeblichen Konsens-Schlagzeilen, die zuvor der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) über die aus einer Sicht definitive Berufung Bachlers als neuem Geschäftsführer ab 2020 und zudem Künstlerischen Leiter ab 2021 verbreitet hatte: „Es wird ein starkes Duo: Thielemann und Bachler.“

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So sollte suggeriert werden, für die Osterfestspiele sei alles in trockenen Tüchern, die einander nicht eben grünen Kontrahenten hätten sich geeinigt. Laut Haslauer wollten Christian Thielemann und die Staatskapelle Dresden auch in Zukunft – über jetzige Vertragszeiten hinaus – die Osterfestspiele gestalten: „Sie fühlen sich wohl und glücklich und möchten gerne bleiben.“ Pustekuchen, die geleakten Mails und Schreiben („Mit Herrn Bachler wird es nichts. Wenn die Politiker ihn wollen, muss ich gehen.“) sprechen eine sehr deutliche Sprache. Die Osterfestspiele scheinen vor einem Waterloo zu stehen. Oder sie wollen ihren Dirigentenstar loswerden? Denn Thielemann will Bachler nicht als künftigen Geschäftsführer (wenn Peter Ruzicka 2020 geht) und schon gar nicht als Künstlerischen Leiter ab 2021 – so lange gilt der Vertrag mit der Dresdner Staatskapelle, sein eigener verlängert sich jährlich. Und das ist Thielemanns gutes Recht, er hat es ja von Anfang an gesagt, als der machtbewusste Mann aus München ins Spiel kam. Der wiederum schweigt, und hält aber an seiner Bewerbung fest. Mit wenig Arbeit ist das natürlich ein netter Austragsposten für den dann 70-Jährigen.

Beide haben nie miteinander gearbeitet, sind sich spinnefeind (so wie auch Sommerchef Markus Hinterhäuser nicht scharf ist auf Bachler im Hinterzimmer), und trotzdem hält der Aufsichtsrat an der Personalie Bachler fest. Sollen da die Osterfestspiele, die dringend neue Förderer brauchen, neuerlich an die Wand gefahren werden? Oder will man Thielemann weghaben? Es sieht fast so aus.

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Die Osterfestspiele Salzburg braucht kein Mensch, nur die Salzburger Hotelerie. Selbst dem Gründer Herbert von Karajan, der sie seit 1967 mit eigenem Geld finanziert hat waren sie letztlich egal. „Irgendwer wird sie sich schon unter den Nagel reißen“, wird er von Wissenden zitiert. Einst ein Ein-Mann-Festival, mit einer Oper und ein paar Konzerten, gegründet, um das Große Festspielhaus zu füllen und den Berliner Philharmonikern ein paar lukrative Opernauftritte zu ermöglichen; zudem wurde so die Wiener Klangkonkurrenz in Schach gehalten. Geprobt wurde bei der obligatorischen Berliner Plattenaufnahme im Herbst, an Ostern liefen dann die Bänder, die Sänger mussten nur markieren; meist wurde die Produktion von den ebenfalls von Karajan geleiteten Sommerfestspielen übernommen. Dann spielten aber die Wiener Philharmoniker.

Eine Win-Win-Situation. Der deutsche Industrieadel und die vermögenden Snobs freuten sich, beim teuersten Musikfestival der Welt feierte man vornehmlich sich selbst. Das alles stand seit dem Tod Karajans 1989 in Frage. Teuer war man immer noch, aber unter George Solti, Kurt Masur und den wenig willigen Berliner Chefdirigenten Claudio Abbado und Simon Rattle ging der Nimbus flöten. Auch die Zuschauer- und Fördererzahlen. Denn das Festival muss sich weitgehend selbst finanzieren, Plattenindustrie und Sommerfestspielen haben sich längst abgewandt.

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Das taten 2012 auch die Berliner Philharmoniker in einer brutalen Palastrevolte. Denen war die Gage zu gering und der Aufwand für nur zweimal Oper zu viel. Deshalb zogen sie ein Jahr später nach Baden-Baden, wo sie nun viermal Oper spielen, nie ausverkauft und große Löcher in die dortigen Budgets reißend. Weil Nikolaus Bachler aber mit Kirill Petrenko, deren künftigem Chef (und seinem gegenwärtigen Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper) gut kann, so eine Fantasie, soll er offenbar Thielemann vergraulen, um ab 2022 die Rückkehr der Berliner zu ermöglichen. Ein Luftschloss, an dem angeblich auch Petrenkos Agent Michael Lewin und der in Österreich bei jedem Musiktheater allgegenwärtige Ioan Holender (wie nach wie vor bei der Wiener Staatsoper und auch in Erl) seine Finger mit im Spiel haben sollen.

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Nur: billiger sind die Berliner seither nicht geworden. Und gegenwärtig gibt es für die Osterfestspiele eigentlich keine Alternative zu der nach dem Berliner Abgang in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom damaligen Geschäftsführer Peter Alward und der Sommerfestspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler eingetüteten Lösung mit Thielemann und seiner Dresdner Staatskapelle. Die sind ein versiertes, renommiertes Opernorchester, geprobt wird vorab an der Semperoper, die meist auch die Salzburg nur zweimal aufgeführte Produktion übernimmt. Und die Legende vom großartigen Spendensammler Bachler? Im reichen München konnte er sich in ein von seinem Vorgänger Peter Jonas und einer eigens gegründeten Agentur gemachte Nest setzen, unter ihm hat sich der Kreis der potenten Geldgeber nicht wirklich erweitert.

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Eine Zukunft der Osterfestspiele kann es eigentlich nur mit Thielemann geben. Wer hätte, weil er sich so rar macht, mit Oper nur dort, in Dresden, Bayreuth und alle paar Jahre in Wien zu erleben ist, den Nimbus, dass die Leute bis zu 490 Euro für eine Opernkarte locker machen? Und warum braucht er dort einen gestaltungswilligen Intendanten wie Bachler, wenn um ihn und die Oper herum nur ein paar Konzerte zu dekorieren sind? Ist das also wieder mal eine typische österreichische Intrige mit Kabale und Hiebe, eher Tritten von hinten? Die Presse dort schweigt jedenfalls merkwürdig still. Und man kann eigentlich immer nur Maria Altmann, die schließlich gegen den Staat erfolgreiche Erbin von Gustav Klimts „Goldener Adele“ zitieren: „Die Österreicher sind charmant, aber niederträchtig.“

Als Beleg seien noch einmal die „Salzburger Nachrichten“ über den Verlauf der Aufsichtsratssitzung zitiert: „Zuerst legte der Dirigent den Salzburger Repräsentanten rund zwanzig Minuten lang sein einziges Anliegen dar: Er wolle nicht Nikolaus Bachler als Intendanten der Osterfestspiele.“ Es sei dann hin und her gegangen, der Landeshauptmann  habe gesagt, es sei nicht das Recht des künstlerischen Leiters, sondern jenes der Eigentümer, einen Intendanten zu bestellen. Und die wollten Bachler. Wieder habe Thielemann zwei Mal „Nein“ gesagt. Ohne Einigung ging man auseinander. Ein „starkes Duo“, das sieht eigentlich anders aus…

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Denn wie schrieb Thielemann laut „SN“ schon im Sommer vorausschauend und aus seiner Sicht einleuchtend an Nikolaus Bacher: „Nach meiner sicheren Einschätzung fehlt es an dem für eine solche Kooperation unabdingbaren persönlichen Vertrauensverhältnis. Im künstlerischen Bereich muss aber ein solches bedingungsloses Vertrauensverhältnis vorhanden sein und bildet die Basis der Zusammenarbeit. (…) Weder kann dies von Ihnen erwartet werden noch möchte ich in die Lage versetzt sein, Ihnen fachliche Weisungen erteilen zu müssen.“ Bachler jedenfalls scheint solches nicht zu stören.

Der Beitrag „Definitive Ablehnung“: Christian Thielemann will Nikolaus Bachler keinesfalls bei den Osterfestspielen Salzburg, der Aufsichtsrat schon erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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