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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in Taiwan II: Ankommen mit Strauss

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Auch großen Musiker können manchmal ein wenig kleinlich sein. Stehen doch einige vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nach der Probe im National Arts Center im taiwanesischen Kaohsiung vor einem Werbeplakat in der U-Bahn-Station, das die Veranstaltungen in dem neuen, vor vier Wochen eröffneten, und gerade mal 306 Millionen Euro teuren, aber größten Kulturzentrum der Welt auflistet: So viel sind es gar nicht. Taiwan will dem ewigen chinesischen Rivalen mit seinen fast wöchentlichen Konzertsaal-Neueröffnungen Kontra geben, doch bei der Veranstaltungsdichte hapert er hier genauso noch wie im schon vor zwei Jahren eröffneten National Arts Center in Taichung. Für die ersten zweieinhalb Monate sind gerade einmal zwei westliche, ja mehr noch: deutsche Orchester angekündigt. Die sind freilich Spitzenklasse – das BRSO sowie tags zuvor die Berliner Philharmoniker. Doch weil die Philis nur mal schnell aus Taipeh mit der Bahn kamen, bevor es weiter nach China geht, und die BR-Kräfte gleichzeitig Pressekonferenz und erste Probe zu absolvieren hatten, war leider nicht viel Zeit, einander zu begegnen oder gar Fußball zu spielen! Nur zwei Fagottisten der beiden Klangkörper tauschten sich kurz aus, und die BPO-Intendantin Andrea Zietzschmann huschte durch die Backstage-Gänge. Dafür frotzelten später die BR-ler, dass auf dem Plakat, die Berlin vor ihrem Dirigenten Gustavo Dudamel standen, während das SOBR erst nach Zubin Mehta vermerkt war…

Vier nationale, also vom Staat geförderte Musikinstitutionen gibt es in Taiwan mit sein 24 Millionen Einwohnern, die Kulturcenter in Taichung und nun in Kaohsiung, die National Concert Hall in Taipeh und das dortige National Symphony Orchestra. Kennt man das futuristische, schicke Ding von Pritzker-Preisträger Toyo Ito, das 2016 in Taichung eröffnet wurde, dann wirkt die riesige weiße, von Francine Houben für das niederländische Büro Mecanoo entworfene Blechkiste am Rande des Weiwuying Park, einem ehemaligen Militärgelände, wirklich wie ein Mischung aus Containerschiff und weißem Wal, wie der „Guardian“ meinte. Seine Flossenbewegungen, an den Ende lassen die Linien einmal nach oben, dann nach untern fließen, senken sich in der stadtabgewandten Längsseitenmitte ab zum Amphitheater, das sich beidseitig bespielen lässt, 800 Plätze auf dem Dach und 10.000 auf dem Parkrasen offeriert. In seinem Erdgeschoss ist es – wie in Taichung – höhlenartig, auf der Banyan Plaza machen sich Akrobaten an Trapezen fertig oder liegen Matten für Yogaklassen aus.

Das Haus soll als Multifunktionsanbieter ganztäglich bespielt werden, doch lassen die eher schwarzweiß und grauen, meist fensterlosen, teilweise klösterlich karg überkuppelten Foyers wenig Tageslicht herein. Unter einem Dach, aber mit verschiedenen Eingängen finden sich Opernhaus (2.200 Plätze), Konzerthalle (2.000 Sitze), Theater (1.200) und Kammermusiksaal (450 Plätze) – macht 7.000 plus der Außenbereich. Das will belebt werden. Dass das Geld optisch nur für das Notwendigste ausgegeben wurde, merkt man. Doch trotzdem ist der 51-jährige Executive wie Artistic Director Wen-pin Chien zuversichtlich. Er spricht perfekt Deutsch, hat in Wien Musik studiert und an der Deutschen Oper am Rhein als Kapellmeister gearbeitet. Von dort wird auch die erste Opernkoproduktion, eine „Turandot“ kommen, vorher gehört das Opernhaus mit der gigantischen Bühne aber dem Tanz: natürlich eröffnet Taiwans Kulturheiligtum, das Cloud Gate Dance Theatre, dann folgt das Ballett am Rhein mit Martin Schläpfers und Mahlers 7. Sinfonie, die  Chien schon in Düsseldorf dirigiert hat.

                                  

Der in Paris lebende Chinese Albert Xu ist für die Akustik und das Design der vier Spielstätten verantwortlich, hell und in Eiche präsentieren sich die Konzertstätten mit champagnerfarbenen und braunen Polstern, dunkel mit korallenfarbenen und meerblauen Sitzgelegenheiten die Theater. Die direkt, besonders bei romantischer Musik gut abgemischt klingende Konzerthalle folgt einmal mehr Hans Scharouns Weinbergplan, und verbindet sich – anders als etwa die Elbphilharmonie – zu einer gut proportionierten, weich schwingenden Dreiränge-Konstruktion, die auch noch die Schuhkartonform ahnen lässt. Kein Platz ist weiter als 30 Meter vom Dirigenten entfernt. Elbphilharmonie-Organistin Iveta Apkalna hat natürlich auch hier die neue, wie ein Bambuswald aussehende Klais-Orgel eingeweiht, mit 9000 Pfeifen die größte in Asien. Und damit alles optisch schön dramatisch flutscht und die Leute anmacht, waren hier auch schon La Fura dels Baus mit ihrer futuristischen Haydn-„Schöpfung“ zu Gast, diesmal mit dem lokalen Kaohisung Symphony Orchestra, das sonst in einer anderen Halle, der bisher einzigen in der Stadt, spielt.

Wenn dann aber als erstes ausländische Spitzenorchester die Berliner Philharmoniker mit Bernsteins Divertimento grell und ostentativ spielen oder Gustavo Dudamel vor allem sportlich durch Mahlers 5. Sinfonie pflügt, dann atmet selbst der stählerne Streicherfluss im Adagietto etwas ausgestellt Selbstgefälliges, Glanzgebürstetes. Die Berliner waren da, spielten und siegten.

Das Publikum, in Taiwan ist es so beglückend gut durchgemischt, aufmerksam, trotzdem locker und enthusiastisch, klatschte sich die Hände heiß und schrie sich die Kehlen heiser. Und wie der bereits grau werdenden Venezolaner dann erst draußen gefeiert wurde! Das Konzert war ins Amphitheater übertragen worden, auf dem Rasen war die Stimmung doppelt begeistert. Einzug der Gladiatoren auf taiwanesisch. Kein Wunder, dass die Orhester gern hierher kommen. Die Musiker des SOBR mussten auf Ähnliches noch einen Tag warten. Sie hatten erstmal in den Eingeweiden des Hauses ihre ersten Proben mit Zubin Mehta mit einem locker durchgespielten Strausschen Heldenleben zu absolvieren – gänzlich akustisch isoliert vom im Theater darüber seine „887“-Aufführung einrichtenden kanadischen Theaterkrösus Robert Lepage.

Der Beitrag Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in Taiwan II: Ankommen mit Strauss erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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