Ein wenig hauchig singt er zunächst, doch man gewöhnt sich schnell an dieses eben auch eigenwillig und damit einzigartige Timbre. Die Erato bringt mit dem 27-jährigen Jakub Jozef Orlinski ihren neuen Countertenorstar an den Start. Schließlich hat sich ein schon verblassender Label-Stern, David Daniels, Vergewaltigungsvorwürfen zu stellen, während Philippe Jaroussky, der gegenwärtige König auf dem hauseigenen Counterthron, auch nicht eben jünger wird und langsam von allzu virtuosen Spezereien Abstand nimmt. Hinter dem Allerwelttitel „Anima Eterna“, zu dem, wie gewohnt, das Il Pomo d’Oro-Ensemble unter dem befeuernden Maxim Emelyanychev seinen instrumental lebendig gegliederten Beitrag leistet, verbirgt sich geschicktes Kalkül. Auch Orlinski ist am Besten in langsamen Stücken, wo er schöne Legato-Bögen spinnen kann. Seinen Koloraturen klingen bisweilen ein wenig gestückelt und bei schnellen Läufen verhaspelt er sich fast. Doch wurde hier gegenüber früheren Aufnahmen von ihm deutlich sorgfältiger produziert. Es kommt immer gut an, wenn sich noch Unbekanntes findet. Diese Sammlung von wirklich betörender geistlich italienischer Barockmusik aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts prunkt mit gleich acht Weltersteinspielungen. Neben No-Names wie Nicola Fago, Domenec Terradellas, Domenico Sarro, Francesco Feo und Gaetano Maria Schiassi mit zum Teil hinreißenden Stücken gehören hier Jan Dimas Zelenka, Johann Adolf Hasse oder Francesco Durante schon zu den bekannten Komponisten. Jakub Josef Orlinski kommt aus dem katholischen Polen. Und die ach so keusche Kirche, siehe Berninis in Marmor gehauene Orgasmus-Verzückung der heiligen Therese, wusste immer schon, dass man auch Glaubensdinge mit Sex verkaufen kann. Also wurde der gut gebaute Nebenerwerbs-Breakdancer Orlinski für das Coverfoto einfach halbnackt mi etwas schwarzem Nesselschleicher drapiert. Was dieser animierenden Anima semi-sacra sicher nicht schadet…
Nicola Fargo, Johann David Heinichen, Domenec Terradellas, Domenico Sarro, Francesco Feo, Jan Dimas Zelenka, Johann Adolf Hasse, Gaetano Maria Schiassi, Francesco Durante: Anima Sacra. Jakub Jozef Orlinski, Il Pomo d’Oro, Maxim Emelyanychev (Erato)
Der Beitrag Brugs Beste: Nummer 14 – der junge Countertenor Jakub Jozef Orlinski verzaubert betörend scheinheilig erschien zuerst auf Brugs Klassiker.