40 Jahre hat dies alterslose Schöne nun auch schon auf dem makellosen Buckel. Am 4. November 1978 erblickte „Die Kameliendame“ in Stuttgart das Licht der Bühnenwelt, auch als Hommage an Marcia Haydee, die Unvergleichliche, damals auf der Höhe ihres tänzerischen und dramatischen Könnens. Und auch wenn John Neumeier, dem hier eines seiner besten Handlungsballette gelang, vielleicht die Geschichte der Marguerite Gautier ein wenig zu oft mit der der fiktiven Rokoko-Lebedame Manon Lescaut bricht, sie ist eine der beliebtesten Abendfüller der jüngeren Zeit geblieben. Weil sich die Ballerinen um die lohnende Titelrolle reißen. Aber auch wegen der traumschönen, licht-zarten Ausstattung Jürgen Roses, der vor hellen Hintergründen in raffinierten Shantung-Seidenkleidern schwelgen darf. Und auch wegen dem intelligenten Umgang mit Frédéric Chopins intimer Klaviermusik, die etwa den zweiten Akt allein dem Soloinstrument vorbehält. Die drei Akte sind makellos schlüssig und klischeefrei erzählt, da hakt nichts. Natürlich ist das auch eine einzigartige wie eigenständige Hommage an John Crankos „Onegnin“, dem ja ebenfalls schon die Haydee ihren Stempel aufdrücken durfte.
Am Ort der Uraufführung wird „Die Kameliendame“ ab 16. Januar gefeiert, in Hamburg wurde sie schon im November wiederaufgenommen. Und am Münchner Nationaltheater, wo man das Werk nun auch schon seit über 20 Jahren spielt, legte aus Anlass der 100. Aufführung jetzt Neumeier selbst letzte Hand an. Und hatte für die 101. Vorstellung zudem zwei seiner Hamburger Starsolisten mitgebracht: das Ehepaar Anna Laudere und Edvin Revazov. Beides wachsbleich marmorierte Gestalten, passen sie wunderbar in dieses tuberkulös angekränkelte 19. Jahrhundert. Er tanzt den Armand mit nobler Linie, die Leidenschaft bricht sich erst allmählich Bahn, dafür ist er am Ende umso heillos verzweifelter. Sie ist eine wächserne Schöne, die sich mit elfenbeinfarbener Grazie nicht in den jungen Mann verlieren will, schließlich doch seinem Werben erliegt. Vollkommen verschmelzen die Konturen dieses perfekt konturierten, darstellerisch angenehm zurückhaltenden Paares mit den perlenden Chopin-Klängen. Ein Abend genießerischer Melancholie im Dämmerschein, fein duftend nach L’Ennui de Siècle. Das Bayerische Staatballett bewährte sich in den übrigen, hier deutlich untergeordneten Rollen (Christina Lund und Dmitrij Vyskubenko bleiben als Manon und Des Grieux porzellanpuppenhaft charmant), die Gruppe hatte mit den schnellen Neumeierschen Richtungswechseln noch ein paar Anlaufschwierigkeiten. Doch es scheint, als ob dieser „Kameliendame“ wirklich die immerwährende Jugend geschenkt ist. Ähnlich wie ihrem Schöpfer John Neumeier, frisch verheiratet mit seinem langjährigen Partner Hermann Reichenspurner, am 24. Februar seinen 80. Geburtstag begeht.
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