Sie können einfach nicht über ihren ästhetisch engen Schatten springen. Nun gibt es zwar erstmals seit 2008 (Anne-Sophie Mutter) wieder mal eine Frau als Trägerin des Preises der Ernst von Siemens Musikstiftung, die zweite überhaupt. Noch dazu eine Komponistin und relativ jung. Aber es ist nicht etwa die weltweit einigermaßen bekannte und geschätzte, in Paris lebende Finnin Kaija Saariaho, sondern die in Berlin lebende Britin Rebecca Saunders, die außerhalb des Inner Circles der Hardcore Neue Musik deutscher Subventionsprägung kaum einer kennt. Saunders schreibt feine, esoterische Musik. Genau die, welche die Siemens-Jury unter dem Vorsitz von Peter Ruzicka immer gerne hört. Mögen alle damit glücklich werden. Letztes Jahr Beat Furrer, jetzt Saunders. Ästhetische Varianz aber geht anders. So engt sich der Preis immer mehr ein. Die Auszeichnung „für ein Leben im Dienste der Musik“ ist mit 250.000 Euro dotiert.
Die 1967 in London geborene Komponistin, die eine Professur in Hannover inne hat, beschrieb ihre Arbeit einmal als einen Versuch, Klänge aus einer Oberfläche scheinbarer Stille zu lösen und zu formen. 60 Werke nahezu aller Gattungen hat sie komponiert, zum alten Sam Beckett fühlt sie sich besonders hingezogen. Saunders, in einer Musikerfamilie großgeworden, studierte Violine und Komposition an der Universität Edinburgh. Danach absolvierte sie von 1991 bis 1994 ein Kompositionsstudium in Karlsruhe bei Wolfgang Rihm (der in der Siemens-Jury sitzt). 1997 erfolgte die Promotion bei Nigel Osborne. Saunders erhielt unter anderem den Busoni Förderpreis der Akademie der Künste Berlin, den Ernst von Siemens Förderpreis für Komposition, den Kompositionspreis der ARD und den Hindemith-Preis (2003). Im Jahr 2000 unterrichtete sie bei den Darmstädter Ferienkursen. Von 2005 bis 2006 war sie Composer in Residence beim Konzerthaus Dortmund. In der Saison 2009/2010 war sie Capell-Compositeur der Staatskapelle Dresden. 2015 erhielt sie den Mauricio Kagel Musikpreis der Kunststiftung NRW. Das Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung zeichnet Rebecca Saunders für ein kompositorisches Werk aus, „das durch seine produktive Widersprüchlichkeit, die Vielfalt klangfarblicher Nuancen und eine unverwechselbare Klangsprache ,sichtbare’ und bedeutende Spuren in der Musikgeschichte der Gegenwart hinterlässt.“ Nun ja. Die Preisverleihung findet am 7. Juni im Münchner Prinzregententheater statt. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung über 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern.
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