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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Er singt und tanzt den Rinaldo: In Frankfurt wurde die gefeierte Händel-Produktion mit Jakub Jozef Orlinski wiederaufgenommen

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Die fein ausbalancierte Stimme schwingt sich auf, springt, verweilt, schlägt Kapriolen, schwillt an, balanciert, überschlägt sich. Und der wohlproportionierte Körper ebenso, hat Kraft und Energie, rennt geschmeidig, schlägt sich mit dem Schwert, verharrt, posiert, stellt sich aus krümmt sich, hechtet, rollt ab. Ganz natürlich. Das doppelte Paket! Als wäre es nicht schon eine Vokalsache für sich, in der Titelpartie von„Rinaldo“ vier der berühmtesten, alle (neben weiteren) in einer Rolle vereinten Arien Georg Friedrich Händels zu singen. Erst die beiden lyrischen, unmittelbar aufeinander folgenden Ruhepunkte, „Cara sposa“ und „Cor ingrato“, am Ende des ersten Aktes das siegesgewisse „Venti, turbini, prestate“ und kurz vor dem Finale, das von vierfachen Trompeten umschallte, machohaft koloraturgurgelnde „Or la tromba“. Doch der gerade zu Ruhm kommende polnische Countertenor Jakub Jozef Orlinski bewältigt nicht nur dieses Ausdrucksspektrum so vorbildlich wie individuell, mit schönsten, gut gestützten Piani und nie gellenden Spitzen. Die Stimme ist rund, ausgeglichen, dunkel, aber klar, er phrasiert und atmet fein, gestaltet mit eigenwilliger, nie auf das pure Virtuose setzenden Sensibilität, stellt sich aus und bleibt doch in der Rolle. So wie er auch, bleichgeschminkt in schmutzigweißem Renaissancewams oder ohne, barfuß die völlig leere Bühne im Bockenheimer Depot, der Zweitspielstätte der Oper Frankfurt beherrscht. Eine der für die Oper geboren scheint, sicher, ausstrahlungsstark, geschmeidig sich streckend, beweglich wie eine Wildkatze, immer auf dem Sprung tänzelnd und mit den Muskeln spielend. Michelangelo oder Leonardo da Vinci hätten den allzu gern Modell stehen lassen. Der Sänger, der eben auch ein Vorleben als Breakdance hat, er ist der hier ideal eingesetzte, dabei stille Star dieser schönen, eigenwilligen Händel-Wiederaufnahme, für den Kampf Tanz und Tanz Gesang ist.

Fotos: Barbara Aumüller

Dunkel und kahl, nebelumwabert ist diese Bühnenjerusalem, wo sich Kreuzritter und Sarazenen auf einem stark ansteigenden Podium prügeln, und auch mal ins Abseits an der Rampe plumpsen, während unten davor der sich in windender Gestik  produzierende Simone Di Felice als Dirigent einen flexiblen, warmklingenden Händel-Sound entfacht. Das hat zwar nicht ganz die Qualität einer Period Band, aber fast. Man merkt doch, wie die inzwischen langjährigen Beschäftigung mit Barockmusik beim Opern- und Museumsorchester ihre stilistischen Spuren hinterlassen hat. Minimalistisch, aber packend emotional ist diese so reduzierte wie spannende, 2017 herausgekommene Inszenierung von Ted Huffman und dem Choreografen Adam Weinert, deren Beiträge kaum zu trennen sind. Alle bewegen sich in durchaus exaltierten Posen, die die weite Szene unter dem deutlich herausgeleuchteten Dachgebälk des alten Straßenbahndepots braucht.

Acht Tänzer lockern das auf und unterbrechen, fugieren als gorgonenhaft blankbrüstige Dämoninnen, fügen drei Bäume zum nachtigallenumtschilpten Paradiesgärtlein, winden sich als Meerjungfrauen in einem Fischunterleib, spreizen sich als exhibitionistische Nachtfalter. Zauberposse, Maschinenoper, Ausstattungsdrama, das Spezifische von Händels erster Oper für London bleibt so auch im konsequenten, ganz auf die Personenkonstellationen und ihrer Körperlichkeit konzentrierten Weglassen erhalten.

Oftmals gefriert das Geschehen zum Tableau vivant nach Torquato Tasso, ein „Gerusaleme liberata“, das fast einem tönenden Marmorrelief gleicht. Umso stärker wirkt darin die musikalisch affekt-wie abwechslungsreiche Grammatik des Singens, die der junge Händel hier freigiebig wie mit dem Füllhorn auskippt. Und jeder nimmt sich seinen Arienanteil aus dem Früchtekorb, um die Palette von Intrigen, Verrat, Hass, aber eben auch Vergebung, Liebe und Leidenschaft farbig anzureichern. Von Orlinskis Präsenz gefordert wie von Rinaldos Liebesverweigerung angestachelt, gibt die Zauberin Armida der eigentlich lyrisch gepolten Elizabeth Reiter die Reifrock-bewehrte Rachefurie mit der Kristallkugel, einen royale Megäre die mit Fiorituren lockt und verhext, dabei nie einen wirkungsmächtigen Divenauftritt verpassend

Ihr kerliges Gegenbild ist die christliche Almirena der eher robusten, kantig vokalisierenden Karen Vuong. Wie gestanzt erklingt deren lebendig und plastisch geformtes „Lascia ch’io pianga“ als dramatische Aussage, nicht Hitparaden-Verweiler. Sehr solide Frankfurter Besetzungspolitik offenbaren der vor allem in den Rezitativen beeindruckende Bassbariton Gordon Bintner als Muselmanenfürst Argante, die mezzohell-agile Julia Dawson als tattriger Bartzausel Goffredo sowie Daniel Mirosław als aufmüpfiger Eustazio. Und gleichzeitig gibt es als zweite Händel-Produktion hier parallel „Xerxes“ zu erleben, während bald aus Lyon Claus Guths „Rodelinda“ kommt: wieder mit Orliński – leider wird er darin als nebensächlicher Unulfo mit nur zwei – schönen – Arien abgespeist.

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